Australiens Strom kommt erstmals nicht überwiegend aus Kohle

Über 7 Tage gemessen liegt Australiens Stromerzeugung aus Kohle erstmals unter 50 Prozent. Südafrikas Pläne geraten derweil in Verzug.​

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Stark Abgase ausstoßende Industrianlage am Ufer eines Flusses

Symbolbild Abgase

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

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Inhaltsverzeichnis

Australiens Nationaler Energiemarkt (NEM) hat erstmals eine Woche lang weniger als die Hälfte des Stromes aus Kohle gewonnen. An den sieben Tagen bis inklusive Montag sind 49,2 Prozent der Stromerzeugung auf Kohleverstromung entfallen. Rund ein Viertel kam aus Windkraft, zirka ein Fünftel von Solarzellen und etwa ein Zwanzigstel aus Wasserkraft.

Das zeigen Daten der Open Platform for National Electricity Market Data (OpenNEM). 2006 kamen noch 87 Prozent des Stromes im australischen NEM aus Kohle. Der NEM ist nicht ganz so national, wie der Name verheißt, stellt aber immerhin etwa 80 Prozent der Stromproduktion dar. Er umfasst alle Staaten außer Westaustralien, nicht aber die Territorien und Außengebiete. Von diesen ist nur das Hauptstadtterritorium (ACT) im NEM dabei. Westaustralien erzeugt bereits seit 2015 weniger als die Hälfte seines Stromes aus Kohle, im laufenden Jahr bislang gar nur mehr ein Drittel.

Der schnelle Umstieg des Kontinents auf Wind- und Sonnenkraft führt zu starker Volatilität im NEM, was sehr hohe Strompreise und großflächige Stromausfälle aus zur Folge hat. Das hat Investoren dazu veranlasst, Geld in riesigen Akkus zu riskieren; diese können sehr schnell Regelleistung anbieten, wenn die Frequenz im Stromnetz zu stark sinkt und ein Brownout droht. Für Stromkunden in Australien haben sich die riesigen Akkus schon bezahlt gemacht; ob das auch für deren Aktionäre gilt, bleibt abzuwarten.

Weniger gute Nachrichten gibt es aus Südafrika. Das Land muss drei zur Abschaltung vorgesehene Kohlekraftwerke einige Jahre länger betreiben, zumindest bis 2030, um die Stabilität der Stromversorgung zu gewährleisten. Zudem wurde jüngst die Laufzeit eines 1984 in Betrieb genommenen Atomreaktors bis 2044 verlängert. Sein Nachbarreaktor steht kommendes Jahr zur Betriebsverlängerung an.

Südafrika ist das erste Land, dem reichere Länder im Rahmen einer Just Energy Transition Partnership unter die Arme greifen, um eine namhafte Reduktion des Treibhausgasausstoßes zu erreichen. Etwa vier Fünftel des Stromes kommt dort aus Kohle. 2021 versprachen die Europäische Union, Deutschland, Frankreich, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Unterstützung. Von 2023 bis 2027 sollen 8,5 Milliarden US-Dollar fließen, um Südafrikas Dekarbonisierung zu beschleunigen.

Nicht alles in bar; vorgesehen ist eine Mischung aus Subventionen, günstigen Darlehen und Bürgschaften der öffentlichen Hand, private Kredite und technische Unterstützung. 8,5 Milliarden Dollar klingt nach viel, ist aber nur etwa ein Zwölftel der geplanten Investitionen. Inzwischen ist der Betrag immerhin auf 9,3 Milliarden Dollar gestiegen, davon eine halbe Milliarde von der Weltbank. Ein günstiges Darlehen über 2,6 Milliarden Dollar soll beim Ausstieg aus der Kohleverstromung helfen, wobei ausdrücklich auch den Bergarbeitern in den Kohleminen geholfen werden soll.

Leider steckt Südafrika seit Jahren in einer tiefen Energiekrise. Der staatliche Stromkonzern Eskom ist hoch verschuldet und gilt als korrupt; umgekehrt schulden die finanzmaroden Kommunen Eskom Milliarden. Die Erschließung erneuerbarer Stromquellen gestaltet sich nicht zuletzt aufgrund des unzureichenden Übertragungsnetzes als schwierig. Gleichzeitig ist die Stromversorgung alles andere als sicher: Vergangenes Jahr gab es an 205 Tagen Abschaltungen, oft für den halben Tag.

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Dieses Jahr läuft es besser; im August konnte Eskom 150 Tage ohne geplante Stromabschaltungen feiern. Doch sieht sich das Land außer Stande, die im Gegenzug für das Milliardendarlehen versprochene Abschaltung dreier Kohlekraftwerke im vorgesehenen Zeitraum umzusetzen. Die drei Kraftwerke sollen bis 2030 weiterlaufen. Dafür, so der Plan, sollen diese und andere Kohlekraftwerke im Durchschnitt mit geringerer Leistung laufen; damit soll das Emissionsziel doch noch erreicht werden.

Jennifer Morgan, Staatssekretärin und Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland, ist derzeit in Südafrika. Sie möchte von der neuen, seit 1. Juli amtierenden Regierung des Landes erfahren, wie der neue Fahrplan genau aussieht. Davon wird abhängen, ob und wie das Darlehen fließt.

Zu den Plänen gehört keineswegs nur die Erschließung emissionsarmer Stromquellen. Auch das Stromnetz soll und muss deutlich ausgebaut werden. Eskom soll entschuldet und aufgeteilt werden: In Zukunft möchte Südafrika Stromerzeugung, Stromübertragung und Distribution an Haushalte getrennt verwaltet wissen. Dabei sind auch private Kraftwerke vorgesehen. Zudem sind Elektrifizierung des Straßenverkehrs, grüne Gewinnung von Wasserstoff sowie Unterstützung für Kommunen, die derzeit von der Kohleverstromung abhängen, Teil des Just Energy Transition Implementation Plan 2023–2027.

Die Partnerschaft der EU und anderer Institutionen mit Südafrika ist quasi ein Pilotprojekt. Von seinem Gelingen hängt viel ab. Nach Südafrika haben sich auch Vietnam (15,5 Milliarden Dollar), Indonesien (20 Milliarden Dollar) und der Senegal (2,5 Milliarden Dollar) im Rahmen einer Just Energy Transition Partnership zusagen lassen.

(ds)