Wer überwacht die Überwacher?

Nach Bürgerrechtsorganisationen äußern auch Politiker der Regierungskoalition Bedenken gegen das zweite Sicherheitspaket von Bundesinnenminister Schily.

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Wenn viele Köche darin herumrühren, verdirbt der Brei. Die gemeinsame Erklärung der Bürgerrechtsorganisationen zu dem von Bundesinnenminister Schily vorgelegten zweiten Sicherheitspaket zeigt, dass diese sprichwörtliche Erkenntnis nur bedingt gilt. Schily wird unter anderem "Aktionismus" und Diskriminierung der in Deutschland lebenden Ausländer vorgeworfen. Und dies in relativ scharfer Form, wenn man bedenkt, dass mehr als 15 Organisationen von den Jungen Linken über die Berliner Strafverteidiger bis hin zum Chaos Computer Club (CCC) unterzeichnet haben.

Wörtlich heißt es in der Stellungnahme: "Nicht die CIA, nicht das FBI, nicht die größte Militärmacht der Erde konnte die erste moderne Demokratie, die USA, vor den Anschlägen warnen, geschweige denn schützen. Es ist daher falsch, wenn deutsche und europäische Sicherheitspolitiker ihnen auf diesem Irrweg der milliardenschweren technologischen Aufrüstung folgen wollen."

Nun hat Bundesinnenminister Schily offensichtlich wenigstens ein bisschen klein beigegeben. Nach einem Treffen mit Politikern der Koalition scheint er bereit, einzelne Gesetze zeitlich zu befristen. Die Befugnisse des Bundeskriminalamts werden wohl nicht in dem von Schily geplanten Umfang erweitert und die neuen Personalausweise mit Fingerabdruck nicht im Alleingang vom Bundesinnenminister eingeführt. Sie sollen im Bundestag verhandelt werden.

Die Grünen fordern weiterhin, dass Fingerabdrücke nicht auf den Pässen abgedruckt werden sollen. Weitere Streitpunkte zwischen Schily und den Grünen sind unter anderem die Auskunftpflicht nicht-öffentlicher Stellen wie Banken gegenüber dem Verfassungsschutz und ein Register, in dem die Religionszugehörigkeit von Ausländern festgehalten werden soll.

An diesem Register reibt sich auch der CCC in seiner Stellungnahme. Die Speicherung der Religionszugehörigkeit als Verdachtsmerkmal im Rahmen der Rasterfahndung verstoße gegen Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. Darin liege ein hohes Missbrauchspotenzial. Ebenso könne das Innenministerium eine Tragepflicht eines äußeren Identifikationsmerksmals wie einen gelben Stern an der Jacke anordnen. Ob es um die Erhebung biometrischer Merkmale, von Sprachmerkmalen oder Sprachaufzeichnungen von Ausländern geht oder die pauschale Überwachung von Telekommunikationsflüssen: Nach Meinung des CCC bringe ein Mehr an Überwachung nicht mehr Sicherheit. Vielmehr müsse man sich bei den Maßnahmen fragen, wer diejenigen überwacht, denen mehr Überwachungsbefugnisse erteilt werden.

Generell kritisiert der CCC die "Heimlichkeit" des Bundesinnenministers bei der Ausarbeitung der Gesetzesänderungen. In einem demokratischen Staat müssten sich die für Sicherheit zuständigen Behörde an das Gebot der Toleranz halten, damit der Bürger sich frei informieren kann. Das Internet schaffe eine Grundlage, die Kommunikation zwischen Staat und Bürgern zu verbessern.

Nicht nur in Koalitionsgesprächen, auch unter den Ministerpräsidenten der Bundesländer wird Kritik laut, allerdings nicht einhellig im Sinne der Bürgerrechtsorganisationen. Mehrere SPD-Ministerpräsidenten äußerten am Rande der Ministerpräsidentenkonferenz in Saarbrücken Bedenken gegen eine Ausweitung der Befugnisse des BKA. Edmund Stoiber und Saarlands Ministerpräsident Peter Müller hingegen forderten sogar noch weitergehende Maßnahmen. Nach Stoibers Meinung müsse vor allem die Weitergabe von Daten der Sozialämter an die Polizei und den Verfassungsschutz zugelassen und die Ausweisung islamistischer Extremisten erleichtert werden. Die Bürgerrechtler werden wohl weiter wachsam sein.

Siehe dazu auch in Telepolis: (anw)