Werber finden "Killerspiele" attraktiv

Der Counterstrike-Hersteller Valve hat einen Vertrag mit der "In-Game"-Werbeagentur IGA abgeschlossen, um den 3D-Shooter mit Reklame anzureichern. Hierzulande erregt die Verbotsdebatte weiter die Gemüter.

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Der Counterstrike-Hersteller Valve hat einen Vertrag mit der "In-Game"-Werbeagentur IGA Worldwide abgeschlossen, um den 3D-Shooter mit Reklame anzureichern. Valves Marketingchef, Doug Lombardi, verriet in einem Interview mit dem Spielemagazin CS-Nation Einzelheiten zu dem Deal zwischen den beiden US-Firmen. Die nicht unumstrittene Form der in Computerspiele direkt integrierten Werbung soll von Anfang 2007 an in Counterstrike 1.6 auftauchen, einer bereits acht Jahre alten Version des Ballerspiel-Klassikers. Die Spieler-Gemeinde brauche keine Angst haben, dass sich die Counterstrike-Ebenen in einen "Times Square" mit bunter Leuchtreklame verwandele, betonte Lombardi. Die Werbegegenstände sollen für Fans ansprechend sein und in das Spielerlebnis eingebunden werden.

Während sich die internationalen Produzenten von Ballerspielen neue Einnahmequellen erschließen, stehen hierzulande "Killerspiele" auf der Abschussliste der Innenminister von Bayern und Niedersachsen. Die deutschen Spielehersteller zeigen sich über die nach jedem Amoklauf aufkochenden Debatten und der damit einhergehenden Rufschädigung ihrer Branche verstärkt empört. Ihr Zorn bezieht sich vor allem auf Anschuldigungen, das Alterkennzeichnungs- und Prüfsystem der Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle (USK) funktioniere nicht. So hatte der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) jüngst behauptet, dass hierzulande blutrünstige Spiele für Jugendliche freigegeben würden. Auch Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN), sparte nicht mit Kritik am staatlich mitkontrollierten Schutzsystem. Anhand eines eingeleiteten Forschungsprojekts berichtete er schon im Oktober im ZDF: "Bereits das Spielen der ersten 20 Spiele, die wir überprüft haben, weckt bei uns massive Zweifel, ob das System funktioniert." Er sprach von "Verletzungen der Menschenwürde".

USK-Geschäftsführer Klaus Spieler konterte die Vorwürfe bei der Verleihung des Deutschen Entwicklerpreises für das beste deutsche Spiel des Jahres 2006 am Mittwoch in Essen. Spieler zufolge zielen Pfeiffer und dessen Sekundant, der Spiele-kritische Hirnforscher Manfred Spitzer, auf die Fördertöpfe der USK. Die Einrichtung vermittle Medienkompetenz, indem sie hunderttausende Pädagogen im Umgang mit Computern unterrichtet habe. Dies sei Pfeiffer und Spitzer zuwider, sagte Spieler laut Spiegel Online. Pfeiffer wolle alle Bildschirme aus Kindergärten und Schulen verbannen, was der USK-Mann als "reaktionäre" Haltung beanstandete.

Für die Bonner Philosophieberatung Apeiron liegt die Gefahr in der aktuellen Debatte über ein Verbot von gewaltlatigen Spielen darin, "dass hier schnell zu Scheinlösungen im Sinne von Symptombekämpfung gegriffen wird." Die Mehrheit derer, die in Gestalt einer Patentlösung "schnell mal einen Zweig der Spieleindustrie erst zum gesellschaftlichen Buhmann machen und dann komplett lahm legen wollen", habe "nicht einen Funken Einblick" in die eigentliche Problematik. Bei all den Vorschlägen zu einem noch strikteren Verbot von Spielen, welche "die Menschenwürde verletzen", sei man mit einem Grenzziehungsproblem konfrontiert. Es bleibe unklar, wessen Menschenwürde eigentlich verletzt werde. "Sicher nicht diejenige von aus Pixeln bestehenden virtuellen Kampfgegnern, und im Falle von mehreren Beteiligten wohl auch kaum diejenige des realen Spielers dahinter", meinen die Philosophie-Experten in ihrem Monatsbrief.

In München hat unterdessen ein Fan von "Killerspielen" die Polizei fast eine Woche lang auf Trab gehalten. Der 23-Jährige sprang vergangene Woche auf die Welle von Trittbrettfahrern auf, die Amokläufe an Schulen übers Internet androhten. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung hatte ihn geärgert, dass die Fraktion der begeisterten "Killer-Spieler", zu der er sich selbst zähle, inzwischen mit Kinderschändern gleichgesetzt würde. Per Mail an das Münchner Polizeipräsidium drohte er daher an, er werde einen "Lauf" durch eine Münchner Realschule veranstalten, der blutig ende. Als Motiv gab er "Hass" an – weil er in der Schule jahrelang gehänselt worden sei.

Anfangs wusste Wolfgang B. seine Spuren und eigentlichen Intentionen gut zu verstecken. Er zapfte den WLAN-Anschluss einer fremden Familie nahe seiner Arbeitsstätte an und gab sich eine E-Mail-Adresse, in welcher der Name Robert Steinhäuser vorkam. Dieser 19-Jährige hatte 2002 in einem Massaker an einer Schule in Erfurt 16 Menschen und sich selbst getötet. Wenig deutete darauf hin, dass es sich bloß um einen Trittbrettfahrer handeln könnte. Die Polizei hatte erst vor vierzehn Tagen einen solchen Ankündigungstäter in München und Mitte der Woche einen weiteren in Starnberg festgenommen. Zeitweise waren bis zu 1000 Beamte im Einsatz, um die 38 Realschulen der bayerischen Landeshauptstadt zu schützen. Am Mittwochabend stürmte die Polizei schließlich die Wohnung des Gesuchten, als dieser gerade ein Ballerspiel spielte. Laut Oberstaatsanwalt August Stern drohen ihm bis zu drei Jahre Haft. Außerdem hat der Polizeieinsatz rund eine Million Euro verschlungen. Münchens Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer kündigte den Versuch an, "uns das zurückzuholen". (Stefan Krempl) / (ghi)