Wettbewerb im Ortsnetz kommt in Schwung

Für die Deutsche Telekom könnten bald auch im Ortsnetz harte Zeiten anbrechen.

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Für die Deutsche Telekom könnten bald auch im Ortsnetz harte Zeiten anbrechen. Ein rundes Dutzend neuer Telefonanbieter schickt sich an, die Übermacht des grauen Riesen in diesem Bereich endgültig zu brechen. Mit dem drahtlosen Teilnehmeranschluss, im Fachjargon WLL genannt (Wireless Local Loop), wollen sie im Ortsnetz auf Kundenfang gehen. Zielgruppe für die breitbandigen Daten- und Internetdienste ist eine zahlungskräftige Klientel: kleine und mittelständische Unternehmen.

"Wir haben alle Voraussetzungen erfüllt und können loslegen", sagt Hans-Peter Kohlhammer von der Frankfurter Firma Broadnet. Das Unternehmen, das zum US-Kabelbetreiber Comcast International Holding gehört, ist eine von mehreren Firmen, die von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) Frequenzen für den Richtfunk zugeteilt bekamen. Allerdings liegt die Zuteilung schon weit über ein Jahr zurück – sie erfolgte noch im August 1999. Die nun gerührten Werbetrommeln verstellen den Blick darauf, dass die Konkurrenz im Ortsnetz längst schon hätte Fuß fassen können.

Immerhin läßt sich die Regulierungsbehörde von der langsamen Gangart der Frequenzersteigerer nicht entmutigen und plant, weitere ungenutzte Frequenzen noch in diesem Jahr zu vergeben – ihr scheidender Präsident Klaus-Dieter Scheurle macht noch einmal Dampf. Die interessierten Unternehmen werden wohl mehr als eine Milliarde Mark in den Aufbau der alternativen Netze investieren. Dass sich diese Investitionen lohnen werden, davon sind die Betreiber überzeugt. Branchenexperten erwarten für die breitbandigen Anschlüsse im Mittelstand jährliche Umsatzzuwächse von 30 Prozent. In den kommenden fünf Jahren könnten sie auf rund 20 Milliarden Mark steigen.

Neben Broadnet stehen auch Viag Interkom, Star 21 Networks, Firstmark, Callino, Deutsche LandTel und Arctel in den Startlöchern. "Wir sind voll im Plan", sagt Andrea Fischedick von der Star 21. Viag Interkom ist in seinen Lizenzgebieten nach eigenen Angaben mit dem Netz-Aufbau "weitgehend durch". Und Mannesmann Arcor, die mehrheitlich das Joint Venture ArcTel führt, kündigte die Vermarktung ihrer Dienste für das kommende Jahr an.

Der drahtlose Anschluss ist eine von mehreren Möglichkeiten, Endkunden direkt ins Netz zu nehmen. Andere Zugangstechniken sind das TV-Kabel, der entbündelte Teilnehmeranschluss sowie das Stromkabel (Powerline). Doch während hier entweder die Telekom mitmischt oder die Technik noch nicht zugelassen ist, garantiert der Richtfunk seinen Betreibern Unabhängigkeit und Gestaltungsfreiraum. Ohne Straßen aufreißen zu müssen, stellt eine Sende- und Empfangsanlage den direkten Anschluss zu den Endkunden per Funk her: Richtfunk über Punkt-zu-Multi-Punkt (PMP). So wird die drahtlose "letzte Meile" eine echte Alternative zum drahtgebundenen Teilnehmeranschluss der Telekom.

Die gebotene Geschwindigkeit kann sich sehen lassen: Bis zu 155 MBit/s befördern die Systeme. Damit reichen die WLL-Funksysteme in Regionen von Glasfaser-Standleitungen – die allerdings 155 MBit/s als kleinste Portiönchen mit ihren Gigabit-Kapazitäten bewältigen. Ein Vorzug der WLL-Technik gegenüber allen kabelgebundenen Anschlüssen ist jedoch ihre hohe Flexibilität, die auf der schnell möglichen Installation gründet. Kohlhammer: "Wir können innerhalb von wenigen Tagen den Kunden anschließen."

Für den privaten Massenmarkt wird die WLL-Technik derzeit nicht angeboten: Je nach Anwendung verlangen die Anbieter für einen WLL-Anschluss mit pauschal abgerechneten Internet-Zugang zwischen 400 und mehreren 1000 Mark pro Monat. Hinzu kommen Gebühren für Sprachdienste und je nach Vertrag einmalige Anschlusskosten. Aber wenn der Markt die neue Technik annimmt, orakelt Fischedick, könnte der Richtfunk auch für Privatkunden interessant werden. Schließlich hat der Ferngesprächsbereich gezeigt, wozu Wettbewerb in der Lage ist: Die Telefonpreise in Deutschland purzelten in den Keller. (Peter Lessmann, dpa) / (dz)