Wettbewerbsbeschwerde: Google bot Millionen fĂĽr Kampf gegen Microsofts Cloud

Google stellte Dutzende Millionen Euro in Aussicht, damit ein europäischer Cloud-Verband seine Kartelleingabe gegen Microsoft aufrecht hält.

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Google-Leuchtreklame bei Dunkelheit.

(Bild: YueStock/Shutterstock.com)

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Im Juli nahm der Branchenverband Cloud Infrastructure Service Providers in Europe (CISPE) überraschend seine Wettbewerbsbeschwerde gegen Microsoft bei der EU-Kommission zurück. Nun kommt heraus, dass der US-Konkurrent Google CISPE offenbar mit millionenschweren finanziellen Anreizen dazu bringen wollte, die kartellrechtliche Eingabe aufrechtzuerhalten. Amit Zavery, bis vor Kurzem Hauptgeschäftsführer von Google Cloud, habe CISPE-Mitgliedern unter anderem einen Innovationsfonds in Höhe von 4 Millionen Euro angeboten, schreibt The Register unter Verweis auf vertrauliche Dokumente.

Google hat die Offerte laut dem Bericht als einen Beitrag in Höhe von 100.000 Euro pro Unternehmen des Verbands beschrieben, der als "Sofortfinanzierung für Projekte und Lizenzgebühren von CISPE-Mitgliedern zur Unterstützung von Innovationen in offenen Cloud-Ökosystemen" verwendet werden könnte. Google bot demnach zudem an, dem Zusammenschluss weitere 10 Millionen Euro beizusteuern, die in der Präsentation als "Teilnahme- und Mitgliedschaftsressourcen" betitelt wurden. Der letzte und bedeutendste Anreiz sollen 100 Millionen Euro an Software-Guthaben von Google Distributed Cloud gewesen sein. Dabei habe es sich praktisch um kostenlose Programme für Kubernetes-basierte Cloud-Bereitstellungen gehandelt.

The Register geht nach Gesprächen mit CISPE-Quellen davon aus, dass die Offerten den Verband davon überzeugen sollten, die Beschwerde gegen Microsoft nicht einzustellen. Google bestreitet, dass es einen direkten Zusammenhang gibt.

CISPE beklagte sich im November 2022 bei der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission über ein breites Spektrum an Bündelungs- und Kopplungsfallen bei Microsoft. Der US-Konzerne bündele "seine Produkte mit der unverzichtbaren Office-Suite und bevorzugt so die hauseigene Azure-Cloud gegenüber konkurrierenden Cloud-Infrastrukturen", wurde Francisco Mingorance, Generalsekretär des Verbands, nicht müde zu betonen. Der Branchenvertreter war früher bei der Microsoft-freundlicheren Lobbyvereinigung Business Software Alliance (BSA).

Noch im Juni 2023 stellte CISPE eine Studie des US-Wettbewerbsrechtlers Frédéric Jenny vor, wonach Unternehmen und Behörden in Europa jedes Jahr eine zusätzliche "Steuer" in Höhe von mehreren Milliarden Euro an Microsoft zahlen. Grund: Sie lassen von ihnen gekaufte Microsoft-Programme in einer Cloud-Infrastruktur laufen, die nicht zu dem Softwareriesen gehört. Microsoft-Kunden können seit 2019 ihre alten Lizenzen nicht mehr zu einer "geteilten Infrastruktur" von Cloud-Anbietern wie AWS, Google und Alibaba mitnehmen. Im April 2023 monierte der Verband, Microsofts Preissteigerungen für Cloud-Produkte reichten an Erpressung.

CISPE hat aktuell 36 Mitglieder, darunter Oxya, Leaseweb, UpCloud, Serverplan und Marktführer AWS als einzigen nichteuropäischen Teilnehmer. Im Juli war die Zahl noch kleiner. Trotz der Google-Angebote entschied sich der Verband damals für einen Vergleich. Microsoft sagte Korrekturen seiner Vertragsklauseln für die eigenen Cloud-Dienste zu. Geplant ist auch eine erweiterte Version von Azure Stack HCI, damit europäische Cloud-Anbieter auf ihren Infrastrukturen Microsoft-Anwendungen und -Dienste anbieten können. Der Gigant wird dem Vernehmen nach zudem rund 20 Millionen Euro an CISPE zahlen. Wenig später erzielte auch der französische Cloud-Dienstleister OVHcloud eine Einigung in einem schon länger laufenden, ähnlich ausgerichteten Kartellrechtsstreit mit Microsoft.

Die Kartellwächter der Kommission untersuchen seit Mai 2023, ob der Konzern aus Redmond seine Marktmacht ausnutzt, um Konkurrenten aus dem umkämpften Cloud-Geschäft zu verdrängen. Die jüngsten Rückzüge machen es unwahrscheinlicher, dass die Brüsseler Regierungsinstitution eine offizielle Wettbewerbsklage einreicht. Im September hat sich Google selbst bei den EU-Wettbewerbsprüfern beschwert, dass Microsoft die eigene Marktmacht bei Windows Servern als Druckmittel für Azure missbrauche. Zavery warf dem Konkurrenten immer wieder vor, durch wettbewerbsschädigende Praktiken das gesamte Cloud-Geschäft in Verruf zu bringen.

Ein CISPE-Sprecher bestätigte gegenüber The Register, dass den Mitgliedern "Alternativen zur Annahme des Microsoft-Deals präsentiert" worden seien. Sie hätten sich aber mit deutlicher Mehrheit für die Annahme des Microsoft-Angebots ausgesprochen, das ihrer Ansicht nach "die beste Chance für den europäischen Cloud-Sektor darstellt". Zavery, der vorigen Monat beim US-Cloud-Provider ServiceNow anheuerte, hatte bei einer Pressekonferenz im September vage erklärt, man unterstütze viele Anbieter im Kampf für faire und offene Lizenzierungspraktiken. Konkrete Zahlungsangebote an CISPE verneinte ein Google-Sprecher damals. Nun hieß es von dem Internetkonzern, man erwäge CISPE beizutreten, um Auswahl und Innovation in der digitalen Wirtschaft in Europa zu stärken. Angeschlossen hat sich Google bereits der Open Cloud Coalition (OCC), der vor allem kleinere britische Betreiber angehören. Microsoft bezeichnete die OCC jüngst als Lobby-U-Boot von Google.

(nie)