Wikipedianer wählen

Seit Sonntag können Tausende Autoren der freien Online-Enzyklopädie Wikipedia und ihrer Schwesterprojekte über einen Sitz im Vorstand der Wikimedia Foundation entscheiden.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Torsten Kleinz

Wahlkampf der Besserwisser: Seit Sonntag können Tausende Autoren der freien Online-Enzyklopädie Wikipedia und ihrer Schwesterprojekte über einen Sitz im Vorstand der Wikimedia Foundation entscheiden. Mit der Wahl endet auch die Amtszeit der derzeitigen Wikimedia-Vorsitzenden Florence Devouard.

Zur Wahl stehen insgesamt 15 Kandidaten aus acht verschiedenen Ländern. Die Auswahl reicht vom 18-jährigen Schüler aus Essex bis zu einem 65-jährigen Steuerberater aus Kanada. Der kontroverseste Kandidat dürfte Gregory Kohs sein, der auf seiner Webseite MyWikiBiz die bezahlte Erstellung von Wikipedia-Artikel über Firmen angeboten hatte. Das Vorhaben stieß auf starke Ablehnung in der Community – Kohs wurde zeitweise von der Teilnahme an der Wikipedia ausgeschlossen. In seiner Kandidatur plädiert Kohs denn auch prompt für eine Änderung der Kriterien bezüglich kommerziell erstellter Artikel.

Um sich ein Bild von den Kandidaten zu machen, konnten die Wähler den Kandidaten Fragen zu verschiedenen Themen stellen. Die Antworten der Kandidaten sind auf einer eigenen Wiki-Seite zusammengetragen. In der Debatte geht es um Themen wie Werbung auf der Wikipedia und die zukünftige Ausrichtung der Wikimedia Foundation.

Im Vergleich zur vorherigen Wahl wurden die Anforderungen an die Wahlberechtigten verschärft. Wer mit abstimmen will, muss über mindestens 600 Beiträge in einem Wikimedia-Projekt verfügen, 50 davon in diesem Jahr. Auf der Wahlliste stehen 29.000 Wahlberechtigte. Darin eingeschlossen sind aber viele Accounts von Nutzern, die sich bei mehreren Wikimedia-Projekten angemeldet haben. Auch das Wahlverfahren wurde geändert: Statt einfach für die gewünschten Kandidaten zu stimmen, sollen die Wähler ihre Präferenzen in einer Art Rangliste ausdrücken. Ob dieses Verfahren zur Verbesserung der ohnehin schwachen Wahlbeteiligung beiträgt, ist höchst fraglich.

Unmittelbaren Einfluss auf die Wikipedia wird das Ergebnis der Wahl nicht haben. Zur Wahl steht nur ein Mitglied des Board Of Trustees, der die Aufsicht über die Wikimedia Foundation führt. Die gemeinnützige Stiftung betreibt neben der Wikipedia auch zahlreiche weitere Projekte wie Wikinews oder Wikiversity. Kurz vor der Wahl wurde das Gremium umgestaltet. Das Tagesgeschäft wird vom neu gegründeten Wikimedia-Büro in San Francisco geführt.

Mit der Wahl endet die Amtszeit von Florence Devouard, die 2004 in den Wikimedia-Vorstand gewählt wurde und in den letzten Jahren den Vorsitz übernommen hatte. Devouard hatte es sich zum Ziel gesetzt, Wikimedia vom chaotischen Communityprojekt in eine handlungsfähige Organisation zu verwandeln. Obwohl Geschäftsführerin Sue Gardner in letzter Zeit beeindruckende Erfolge vorweisen konnte, ist die Wikimedia noch nicht in ruhigen Fahrwasssern angekommen. So werden Maßnahmen zur Finanzierung und zu Konsolidierung der Inhalte auf den Wiki-Seiten immer sehr kontrovers diskutiert. Aktueller Streitpunkt ist die Ausgestaltung der Wikimedia als weltumspannende Organisation. (Torsten Kleinz) / (jk)