Windows 11: Erste Messergebnisse

Seite 2: Boot-Geschwindigkeit

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Nun zur Frage, wie lange Windows 11 zum Hochfahren braucht. Sie lässt sich gar nicht so leicht beantworten, denn wann genau ist der Boot-Prozess eigentlich abgeschlossen? Es liegt zwar nahe, das Erscheinen des Desktops als den Zeitpunkt anzunehmen, an dem es so weit ist. Doch Windows schummelt schon seit vielen Versionen beim Hochfahren, um schneller zu wirken. Der Desktop erscheint bereits, obwohl der Bootvorgang noch gar nicht abgeschlossen ist. Das führt dazu, dass Windows in den ersten Sekunden weder auf Mausklicks noch auf Tastendrücke reagiert. Doch selbst, wenn es das endlich tut, ist der Bootvorgang noch nicht durch. Viele Dienste beispielsweise startet Windows zwar sofort, einige haben aber den Starttyp "verzögerter Start". Das bedeutet, dass Windows diese erst ausführt, wenn Zeit ist. Benötigt ein Prozess einen solchen Dienst vorher, zieht Windows dessen Start zwar vor, doch das bedeutet trotzdem zusätzliche Wartezeit.

Windows-Version Aufruf einer Website mit Edge Video abspielen mit Media Player Anzeige der Thumbnails in lokalem Ordner zum Vergleich: Erscheinen des Desktops
Windows 10 Version 21H1 21 s 21 s 19 s 13 s
Windows 11 Version 21H2 22 s 20 s 20 s 7 s

Unsere praxisorientierten Tests lassen sich von solchen Optimierungen nicht blenden. Auf dem Testrechner liegt im Autostart-Ordner etwas, was Windows automatisch ausführen soll. Erst wenn das passiert ist, gehen wir davon aus, dass der Bootvorgang im Wesentlichen abgeschlossen ist. Beim ersten Test liegt dort eine Verknüpfung zu einer Website, die der Standard-Browser darstellen soll. Das klappt erst, wenn die Internetverbindung steht. Als Zweites soll Windows ein Video abspielen, was erst klappen kann, wenn Audio und Video funktionieren. Drittens geht es um einen Bilderordner, den der Explorer anzeigen soll, genauer: die kleinen Vorschaubilder (Thumbnails). Damit Windows die bei jedem Start neu erzeugt, löschen wir direkt vor dem Neustart bei bereits geschlossenem Explorer per Skript den Inhalt des Ordners und kopieren die Bilder aus einem anderen Ordner wieder neu in den Bilderordner. Bei allen Tests nehmen wir die Zeit mit einer Stoppuhr, VBS und HVCI waren jeweils deaktiviert.

Um es kurz zu machen: Die Testergebnisse sind eindeutig, ein Unterschied zwischen Windows 10 und 11 ist nicht mess- und schon gar nicht spürbar. Wobei – wirkt es nicht doch so? Um dem nachzugehen, haben wir gemessen, wie lange es dauert, bis der Desktop erscheint. Und tatsächlich: Die durchschnittliche Zeit, die der Desktop zum Erscheinen braucht, reduzierte sich auf unserem Testrechner von 13 Sekunden (Windows 10) auf 7 Sekunden (Windows 11), also fast um die Hälfte. Da Sie Windows zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht nutzen können, ist es nur nutzlose Kosmetik.

Zu unseren üblichen Tests neuer Windows-Versionen gehört eigentlich zu prüfen, ob alle Anwendungen darunter laufen. Doch dieses Mal haben wir uns das gespart. Der Unterbau von Windows 11 ist derselbe wie der von Windows 10 Version 21H1, und die Sicherheitsfunktionen steckten da auch schon drin. Kurzum: Was unter 10 läuft, wird auch unter 11 laufen.

Zudem gibt Microsoft eine Garantie, dass alles läuft. Falls nicht, will der Konzern kostenlos helfen. Das gilt allerdings nur, wenn Sie Windows mit einem passenden Lizenzvertrag direkt bei Microsoft oder einem autorisierten Partner erworben haben. Mit anderen Worten: Auf Ihrem Privat-PC hilft Ihnen das nichts. Trotzdem ist die Garantie ein gutes Zeichen, denn für Microsoft ist es eine wirtschaftliche Entscheidung. Man muss sich dort schon sehr sicher sein, dass es nicht so teuer wird, wenn man bei Problemen kostenlos Hilfe leisten muss.

Diese Meldung unter Windows 11 zu provozieren, ist gar nicht so leicht, denn was unter Windows 10 lief, funktioniert sehr wahrscheinlich auch unter Windows 11.

Gestützt wird die Annahme durch die bemerkenswert kurze Liste der bislang bekannten Probleme, zumindest was Anwendungen betrifft. Dazu gehört die Desktopvirtualisierung VirtualBox, bei der Hersteller Oracle bei Redaktionsschluss bereits an Updates arbeitete. Das zweite Problem betrifft Anwendungen, die Nicht-ASCII-Zeichen in der Registry hinterlegen, was im ersten Moment dramatisch klingen mag. Doch namentlich bekannt sind bislang nur ein vietnamesischer Browser und eine portugiesische Authentifizierungs-App für Mobilgeräte.

Dennoch könnten Sie über Kompatibilitätsprobleme stolpern, und zwar dann, wenn Sie bislang ein 32-Bit-Windows nutzten. Windows 11 gibt es nur als 64-Bit-Variante, und darunter läuft keine 16-Bit-Software. Das gilt allerdings für die 64-Bit-Varianten aller Vorgänger-Versionen. Was hingegen ausdrücklich kein Problem ist: 32-Bit-Software. Die läuft auch unter 64-Bit-Windows so problemlos, dass Sie normalerweise nicht merken, dass da ein 32-Bit-Subsystem mithilft.

Dass es keine 32-Bit-Variante von Windows mehr gibt, bedeutet schließlich, dass Sie keine Hardware mit Windows 11 nutzen können, für die es keinen 64-Bit-Treiber gibt. Weitere Hardware-Probleme mit Windows 11 sind bislang nicht bekannt, eine Ausnahme sind per USB angeschlossene Drucker. Aber Drucker-Probleme haben momentan bei Microsoft ohnehin Hochkonjunktur.

Windows 11 braucht zum Booten genauso lange wie sein Vorgänger, auch wenn es schneller wirkt. Im laufenden Betrieb ist es hingegen tatsächlich messbar langsamer. Mit aktiven Sicherheitsfunktionen wirds noch langsamer, aber das ist bei Windows 10 genauso und kein Grund, auf die zusätzliche Sicherheit zu verzichten – die Auswirkungen sind zwar messbar, aber nicht spürbar. Warum Windows 11 bei identischen Sicherheitseinstellungen dezent langsamer ist als Windows 10, lässt sich bislang noch nicht sicher sagen. Die üblichen Verdächtigungen wären Einstellungen, an denen Microsoft von uns unbemerkt gedreht haben mag, aber auch die Treiber, die Windows 11 dabei hat.

Was die Kompatibilität betrifft, dürften Sie kaum Unterschiede bemerken. Außer Sie nutzen bislang noch ein 32-Bit-Windows, aber dann sind die Schmerzen beim Umstieg auf das nur als 64-Bit-Variante verfügbare Windows 11 genauso groß wie beim Umstieg auf jedes ältere 64-Bit-Windows.

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(axv)