Wirbel durch SMS-Flut

Die Textnachrichten per Handy boomen nicht nur in Deutschland; per SMS verschickte Gerüchte und Falschmeldungen sorgen inzwischen aber für viel Wirbel.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Frank Brandmaier
  • Girlie Linao
  • dpa

Der SMS (Short Message Service), die kurzen Textnachrichten über das Handy, hat weltweit einen ungeahnten Erfolg. Auch hier zu Lande, trotz der recht hohen Preise, sind vor allem Jugendliche im SMS-Rausch. Einige Betreiber erwarten sich sogar von SMS einen entscheidenden Schub für den weiteren Boom des Mobilfunks. Aber nicht nur die Kids verabreden sich oder flirten per SMS – auch bei Nachrichten-Diensten und sogar E-Commerce-Transaktionen soll SMS weiterhelfen. Dabei gelten die Bewohner der Philippinen mit geschätzten 40 Millionen drahtlos verschickten Botschaften pro Tag weltweit als die SMS-Verrücktesten. In Deutschland drückten Freunde der Kurzmitteilung im gesamten Jahr 1999 fünf Milliarden Mal den Sendeknopf.

Wo viel Licht ist, ist allerdings auch viel Schatten. Nicht nur aus Finnland, dem Mekka aller Mobilfunker, kommen immer mehr Berichte von jüngeren Nutzern, die durch extensives "SMSen" exorbitante Telefonrechnungen produzieren. Aber auch die News per SMS sorgen inzwischen für Wirbel. Ursache der Aufregung: Per SMS versandte Gerüchte und Falschmeldungen. Das Phänomen droht beispielsweise die politische Führung der Philippinen zu überrollen. Zwar sei es das Recht jedes Bürgers, die Botschaften zu verschicken, sagt Regierungssprecher Ronaldo Zamora. "Zum Problem werden sie aber dann, wenn sie mit ihrem Inhalt Frieden und Ordnung gefährden."

Die Scherze waren zwar schlecht, ihre Wirkung aber verfehlten sie nicht. Erst war angeblich Papst Johannes Paul II. gestorben, dann der ungeliebte Präsident Joseph Estrada zurückgetreten, und am Ende soll auch noch sein populärer Vorgänger Fidel Ramos beim Golf zusammen gebrochen sein – Nachrichten, die am 1. und 2. April auf unzähligen philippinischen Handys aufleuchteten und, je nachdem, zehntausendfach Besorgnis oder Freude auslösten. Dabei blieb es freilich nicht: Immer neue, per SMS versandte Gerüchte sorgen weiter für Wirbel in dem Inselstaat und sind inzwischen sogar zum Politikum avanciert.

Mittlerweile haben die SMS-Piraten schwerere Geschütze gegen den Staatschef und Ex-Schauspieler Estrada aufgefahren: "Erap (Estradas Spitzname) ist heute Morgen gestorben. Betet, dass dies kein Scherz ist", hieß es vergangene Woche auf den Displays. Die Regierung sieht inzwischen nicht Einzelne, sondern eine "konzertierte Aktion" hinter den Attacken gegen den Präsidenten, dem viele seiner Landsleute Mauscheleien, Raffgier und Inkompetenz vorwerfen.

Mancher fühlt sich indes an die Zeit erinnert, als Journalisten mit heimlich kopierten Flugblättern Front gegen Diktator Ferdinand Marcos machten, der 1986 gestürzt wurde. "Den Botschaften wohnt derselbe Geist kreativer Rebellion inne", meint der Kolumnist der Zeitung Philippine Daily Inquirer, Conrado de Quiros. "Die Mitteilungen sind eine der subversivsten Aktivitäten, wenn nicht die subversivste Aktivität des Landes überhaupt." Denn sie seien auch für Bürger attraktiv, die sich sonst von der Politik fern halten.

Verzweifelt rufen Politiker schon nach Überwachung der SMS-Manie, doch darf Telekommunikation auf den Philippinen weder reguliert noch zensiert werden. Nach einem Vorschlag des Chefs der staatlichen Kommission für Telekommunikation, Joseph Santiago, könnte eine Zusammenarbeit von Medien und Handy-Betreibern Abhilfe schaffen: Tauchen Falschmeldungen auf, sollten Nachrichtenprofis einfach Richtigstellungen formulieren und im Netz verbreiten. (Frank Brandmaier, Girlie Linao, dpa) (jk)