Wird es Mikro-LED-Displays wirklich geben?
Kommen Mikro-LED-TVs oder bleibt es bei großen Anzeigenwänden aus kleinen LEDs. Welche Chance hat die LED-Technik in AR-Brillen, Smartphones oder Autos?
- Robert Raikes
Ăśber viele Jahre hinweg war die Electronic Displays Conference in NĂĽrnberg unter dem Vorsitz von Prof. Karlheinz Blankenbach eine der Veranstaltungen, die ich besucht habe (und auf der ich mehrmals gesprochen habe). Sie kollidierte oft mit dem Mobile World Congress in Barcelona, aber weil der MWC nicht und die EDC virtuell stattfand, habe ich mich eingeloggt. Das groĂźe Thema waren in diesem Jahr Mikro-LEDs.
Zine Bouhamri von Yole Développement war der erste Redner auf der Veranstaltung und sein Thema lautete "Wird es Mikro-LEDs wirklich geben?". Ich habe Bouhamris Kollegen Eric Virey schon einige Male sprechen hören (und über diese sehr guten Vorträge auf DisplayDaily berichtet), also freute ich mich auf die Präsentation.
Es gibt viele Themen und Ansätze zu Mikro-LEDs, doch bis heute gibt es keine Produkte für Endverbraucher, es sind also noch viele Fragen offen. Sollen die Hersteller sich für eine passive oder aktive Matrix-Architektur entscheiden? Werden sie TFTs oder andere Mikro-Treiber verwenden? Sollte sie sich für Mikro-Treiber entscheiden, könnten Sie die traditionellen Panel-Hersteller außen vor halten.
Es gibt derzeit weder Gewinner noch offensichtliche Kandidaten und noch weiß niemand den besten Weg, die Mikro-LED-Industrie in Schwung zu bringen. Für Mikro-LED wird es entscheidend sein, sich von anderen Display-Technologien abzugrenzen. Warum würden Sie Mikro-LED statt OLED kaufen? Wird sich die Technik sich in Zukunft absetzen können, fragte Bouhamri.
Mehr Licht fĂĽr AR-Brillen und Autos
Bei AR (Augmented Reality) und HUDs (Head Up Displays) ist Mikro-LED aufgrund seiner hohen Leuchtdichte die SchlĂĽsseltechnik schlechthin. Im Automobilbereich gibt es ebenfalls eine starke Abgrenzung, wiederum aufgrund der Leistung in heller Umgebung.
Im TV-Bereich besteht ein Problem darin, dass die Kosten bei LED-Anwendungen mit der Auflösung skalieren und nicht mit der Fläche. Hierdurch ist eine Differenzierung im oberen Bereich möglich, wo sehr große Diagonalen nicht mit dem gleichen Preisaufschlag einhergehen wie LCD, solange man mit der Größe nicht auch die Auflösung erhöht.
Auch bei Smartwatches ist eine gewisse Abgrenzung aufgrund der potenziell höheren Helligkeit und des niedrigeren Stromverbrauchs möglich, obgleich sich die OLED-Technik hier ständig verbessert. Bei Smartphones und IT-Anwendungen wie Monitore, Notebooks und Tablets wird es für Mikro-LEDs schwierig werden, weil die LED-Chips sehr klein sein müssen, um ausreichend hohe Pixeldichten zu erreichen. Das wird ein paar Jahre länger dauern.
Der Blick auf die IP-Entwicklung etwa bei Patenten hilft zu verstehen, wo sich die Dinge künftig abspielen könnten, glaubt Yole. Es kann auch hilfreich sein zu verfolgen, wer versucht, "unter dem Radar zu bleiben"; deshalb schaut sich die Firma diesen Bereich genauer an. Yole definiert für Mikro-LEDs eine Größe unter 50 Mikrometer. Darunter fallen displaybezogene Anwendungen, nicht aber Hintergrundbeleuchtungen oder andere Anwendungen wie Li-Fi (Light Fidelity, die Datenübertragung per Licht).
Patentanmeldungen steigen
Die Zahl der erteilten und angemeldeten Patente ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Aktuelle Displayhersteller waren hier anfangs nicht gut vertreten, sie veröffentlichten 2019 aber bereits 38 Prozent der Patente. China ist die geografische Region mit den meisten Anmeldungen mit BOE als Top-Unternehmen in Sachen Patentanzahl.
Wenn Nicht-TFT-Treiber zur Norm werden, könnte die Mikro-LED-Industrie wirklich disruptiv sein und die aktuellen Displayhersteller in Schwierigkeiten bringen, im Geschäft zu bleiben, sagte Bouhamri (das erinnerte mich an Bruce Berkoffs Kommentar vor vielen Jahren, als er bei LG.Philips LCD war: "Es ist mir egal, welche Art von Display Sie auf meine Transistoren setzen"). Ursprünglich hielten sich die etablierten LCD-Hersteller zurück, aber jetzt sind sie wirklich aggressiv in diesem Bereich unterwegs.
Yole verfolgt aber nicht nur die Anzahl der Patenteinreichungen, sondern verwendet weitere Metriken, darunter die Durchsetzbarkeit der Patente. Und hier ist Apple/Luxvue in einer starken Position.
The Elephant in the Room
Der chinesische Displayhersteller BOE hat sich tendenziell auf die Ansteuerung sowie den Transfer und die Montage der Dioden konzentriert, und damit auf das eigentliche Problem beim Aufbau der Mikro-LED-Industrie. Dieser Bereich liefert den Großteil der Patente zusammen mit Pixel- und Display-Architekturen, während andere Bereiche zeitweise etwas vernachlässigt wurden: Lichtextraktion, Defektmanagement & Reparatur sowie Testen sind große Themen mit geringen Patentaktivitäten.
Die QNED-Entwicklung (Anm.: Displays, in denen anorganische Nanorod-LEDs als blaue Lichtquelle für farbkonvertierende Quantenpunkte dienen) begann bereits 2010, ist aber "noch nicht reif für die Prime Time", sagte Bouhamri. Inzwischen steigen auch Geräte- und Materiallieferanten in das Geschäft ein, was bedeutet, dass wir der Industrialisierung näher kommen. Apple und Sony haben ihre Aktivitäten dagegen heruntergefahren. Das könnte bedeuten, dass sie im Großen und Ganzen mit ihren Patentportfolios und ihrer Entwicklung zufrieden sind. Möglicherweise haben sie sich auf die ihrer Meinung nach besten Ansätze festgelegt.
Obwohl Bouhamri keine direkte Antwort auf seine Eingangsfrage gegeben hat ("Wird es Mikro-LEDs wirklich geben?"), geht aus den laufenden Aktivitäten hervor, dass die Antwort "Ja" lautet, auch wenn "Wann?" und "In welcher Anwendung in welchem Umfang zuerst?" vielleicht noch nicht ganz so klar sind!
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen bei DisplayDaily
(uk)