Wirecard-Skandal: Juristische Aufarbeitung wird noch Jahre dauern

Seite 2: Gläubigerforderungen und Ausverkauf

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Bis zur Wirecard-Gläubigerversammlung im November hatten Banken, Investoren, Geschäftspartner und Aktionäre insgesamt 12 Milliarden Euro an Forderungen angemeldet. Das ist noch lange nicht das Ende. "Derzeit erreichen uns täglich noch weitere Forderungsanmeldungen", sagt ein Sprecher von Insolvenzverwalter Michael Jaffé. "Schon die Erfassung der mittlerweile zehntausendfach eingegangenen Anmeldungen wird noch Monate dauern. Bis wann deren Prüfung abgeschlossen sein wird, lässt sich daher derzeit nicht verlässlich sagen."

Forderungen kommen nicht nur von Banken, Investoren und Geschäftspartnern. Die Verluste der Wirecard-Aktionäre sind noch viel größer als der mutmaßliche Betrugsschaden: Die Wirecard-Papiere haben innerhalb von zwei Jahren über 20 Milliarden Euro eingebüßt.

Doch ob die Aktionäre Chancen haben, einen Teil ihrer Verluste im Rahmen des Insolvenzverfahrens wieder hereinzuholen, wird womöglich ebenfalls vor Gericht geklärt: "Zu beachten ist auch, dass bestimmte Rechtsfragen – wie etwa auch zur Berücksichtigung von Schadenersatzforderungen der Aktionäre – im Interesse aller Gläubiger gegebenenfalls in Pilotprozessen geklärt werden müssen", erklärt Jaffés Sprecher.

Von Wirecard wird am Ende wenig bleiben. Der Insolvenzverwalter hat das Kerngeschäft, zu dem auch die meisten deutschen Mitarbeiter gehören, bereits an die spanische Bank Santander verkauft. Bei der Wirecard AG und mehreren Tochtergesellschaften verbleiben lediglich einige Angestellte in den Abwicklungsteams. Eine zweistellige Zahl weiterer Tochtergesellschaften rund um den Globus gibt es noch, bei manchen ist der Verkaufsprozess laut Insolvenzverwalter weit fortgeschritten. Doch nicht alle dieser Firmen werden sich verkaufen lassen. "Gesellschaften oder Geschäftsbetriebe, für die es keine Interessenten und damit keine Fortführungsperspektive gibt, müssen abgewickelt werden", sagt Jaffés Sprecher.

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Neben Straf- und Insolvenzverfahren steht eine Vielzahl von Zivilklagen. Die meisten richten sich gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, die die mutmaßlich gefälschten Bilanzen testierte.

Am Stuttgarter Landgericht sind mittlerweile knapp 70 Klagen gegen EY eingegangen, am Münchner Landgericht knapp 20, wie deren jeweilige Sprecher mitteilen. EY äußert sich zu der Klagewelle nicht.

Gegen den früheren Vorstandschef Braun ist am Münchner Landgericht dagegen erst eine Schadenersatzklage anhängig. Manche Geschädigte versuchen jedoch vorbeugend sicherzustellen, dass dem einstigen Milliardär möglichst kein Cent seines Geldes bleibt: Am Münchner Landgericht sind über 80 Arrestbeschlüsse gegen Brauns Vermögen beantragt, wie dessen Sprecher sagt.

Schneller als die Justiz wird die Politik sein. Im Gefolge des Skandals sind die deutschen Behörden in die Kritik geraten, Finanzminister Olaf Scholz und Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) präsentierten im Oktober ihre Pläne zur Verbesserung der Kontrolle. Beim Verdacht falscher Bilanzierung soll die Finanzaufsicht Bafin künftig unmittelbar einschreiten können. Sowohl die Reform der Aufsicht als auch die Arbeit des Untersuchungsausschusses sollten spätestens im Sommer abgeschlossen sein – denn die nächste Bundestagswahl steht vor der Tür.

(olb)