Wirtschafts-Akademie warnt vor verstärktem Einsatz von KI-Robotern in Industrie

Wirtschaft und Gesellschaft ändern sich durch den Einsatz humanoider KI-Roboter in der Industrie – nicht nur zum Guten, sagt die Bonner Wirtschafts-Akademie.

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UBTech Walker S1 trainieren in Industrieumgebung

Humanoide Roboter des chinesischen Robotikunternehmens UBTech trainieren für Industrieaufgaben.

(Bild: UBTech)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Die Bonner Wirtschafts-Akademie (BWA) sieht den Einsatz von Robotern mit Künstlicher Intelligenz (KI), insbesondere humanoiden Robotern, in der Industrie problembehaftet. Zwar können die Roboter mithelfen, den Arbeitskräftemangel zu beseitigen. Zugleich hat deren Einsatz jedoch starke Auswirkungen auf die Sozialsysteme, wenn kaum noch menschliche Arbeiter in der Industrie arbeiten und entsprechend nicht mehr in die sozialen Sicherungssysteme einzahlen.

Harald Müller, Geschäftsführer der BWA, geht davon aus, dass humanoide KI-Roboter zunehmend alles besser können als ein Industriearbeiter. Durch die Möglichkeit, autonom handeln und zudem in für Menschen gemachten Arbeitsumgebungen eingesetzt werden zu können, bestehe die Gefahr, dass die Roboter immer stärker den Menschen in der Arbeitswelt verdrängen.

Müller verweist dabei auf die Studie "Humanoide Roboter in Operations", der Beratungsgesellschaft Horváth. Darin prognostizieren die Analysten, dass bis zum Jahr 2030 etwa 50 Prozent der manuellen Tätigkeiten von KI-Robotern übernommen werden könnten. Betroffen seien dabei besonders die Bereiche Logistik, Montage und Materialhandling. "Selbst bei nur einem Drittel wären die Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft gravierend", warnt Müller.

Der BWA-Chef sagt menschenleere Fabrikhallen voraus, zu denen Menschen im laufenden Betrieb gar nicht mehr hineindürften. Denn die humanoiden Roboter würden zwei- bis fünfmal so schnell arbeiten wie ihre menschlichen Kollegen. Aus Sicherheitsgründen dürften die sich dann nicht mehr in den Produktionsstätten aufhalten. Rund 50 Prozent der Fertigungsfläche könnten innerhalb der nächsten fünf Jahre menschenleer werden.

Das habe zwar den positiven Effekt, dass für die Unternehmen die Kosten bei gleichzeitig steigender Produktivität sinken. Allerdings sinke zugleich die Eintrittshürde für Konkurrenzunternehmen, die bei zurückgehenden Preisen für humanoide Roboter ebenfalls in die jeweiligen Märkte einsteigen könnten.

Zwar sieht der BWA-Chef auch den Vorteil, dass humanoide KI-Roboter den Fachkräftemangel, ausgelöst durch die geburtenschwachen Jahrgänge, eindämmen helfen können. "Aber damit sind rechtliche und ethische Fragestellungen verbunden, auf die unsere Gesellschaft und damit die Politik Antworten finden muss."

Dabei geht es auch um soziale Fragen: Wer etwa zahlt in die deutschen Sozialsysteme ein? Bisher bezahlen arbeitende Menschen Rentenversicherung, Krankenkassenbeiträge, Pflegeversicherung und weitere Sozialleistungen über einen Teil ihres Arbeitslohns. Wenn zunehmend Roboter deren Aufgaben übernehmen und weniger Arbeitnehmer mehr einzahlen, könnten die ohnehin strapazierten Sozialsysteme noch mehr unter Druck geraten. Hier sei es etwa an der Politik, dafür zu sorgen, dass keine negativen gesellschaftlichen Auswirkungen auftreten. Entsprechend könnte zur Kompensation etwa eine "Maschinensteuer oder eine KI-Abgabe" erhoben werden.

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Müller will aber nicht missverstanden werden: Er spricht sich nicht gegen den Einsatz von KI-Robotern in der Industrie aus, jedoch müsse dabei vieles berücksichtigt werden, was Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft haben könnte. Europa sei bereits in Schlüsseltechniken wie Internet, Digitalisierung, Smartphones, Raumfahrt, Satelliten und Künstlicher Intelligenz ins Hintertreffen gegenüber den USA und China geraten. Bei humanoiden, intelligenten Robotern dürfe das nicht geschehen. Hier müsse Politik ebenfalls Weichen stellen.

(olb)