Wirtschaftsbericht: Mehr Beschäftigung durch New Economy

Der heute von Wirtschaftsminister Werner Müller vorgestellte Wirtschaftsbericht 2000 steht ganz im Zeichen der New Economy.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 10 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Christian Rabanus

Der heute von Wirtschaftsminister Werner Müller vorgestellte Wirtschaftsbericht 2000 steht ganz im Zeichen der New Economy. Wie Müller bei der Vorstellung des Berichts mitteilte, sieht er in der Internet-Wirtschaft eine der wichtigsten Konjunkturstützen der kommenden Jahre. Um das Wachstum dieses Wirtschaftszweigs weiter zu fördern, kündigte der Minister weitere Reformen an. Die Bundesregierung werde "zusammen mit der Wirtschaft diesen Weg der Reformen in Richtung New Economy weitergehen, denn er führt Deutschland zu lang anhaltendem, inflationsfreien Wachstum mit deutlichen Beschäftigungsgewinnen".

Im gleichen Atemzuge warnte Müller die CDU/CSU davor, im Bundesrat die Gesetzesvorhaben der rot-grünen Regierung – Müller nannte insbesondere die Steuerreform – zu blockieren. Denn: "Für die Dauer der von der Bundesregierung geplanten, aber blockierten Steuerreform gehen bis zu 500.000 Arbeitsplätze verloren."

Von der Internet-Wirtschaft gehen Müllers Meinung nach positive Impulse für die gesamte Wirtschaft aus, also nicht nur für die IT-Branche selbst. Zwar räumte er ein, dass im Zuge konsequenten Einsatzes von EDV auch Arbeitsplätze verloren gehen, insgesamt aber werde die Zahl der Beschäftigten durch die New Economy anwachsen. Müller zitierte eine Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RIW), die bis 2010 bis zu 750.000 zusätzliche Arbeitsplätze im Bereich der Informations- und Kommunikationstechniken prognostiziere. Die Regierung werde mit mehr als einem Dutzend Gesetzesvorhaben den Weg für E-Commerce und die Internet-Wirtschaft ebnen. Ganz oben auf der Agenda stünden die Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie, die Anpassungen des Teledienst-Gesetzes und des Signaturgesetzes, Änderungen beim Gewerberecht und dem Datenschutz sowie die Abschaffung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung. Auch eine weitere Lockerung der bisherigen Regulierungspraxis im Bereich der Fern- und Auslandsgespräche hält Müller für möglich. Dazu wolle er sich aber erst im Herbst ausführlich äußern.

Beim Bunderverband der Deutschen Industrie (BDI) hat der Bericht eine positive Reaktion hervorgerufen. Er enthalte "ein Bündel richtiger Erkenntnisse". Allerdings drängt der BDI auf eine Senkung der Abgaben für Unternehmen und eine Senkung der Lohnnebenkosten.

Auf besonderes Interesse dürfte Müllers Äußerung über die Deregulierung der Telekommunikationsdienste bei der Deutschen Telekom und ihren Konkurrenten gestoßen sein. Der Geschäftsführer von AOL Deutschland, Uwe Heddendorp, nahm denn auch prompt die Gelegenheit wahr, wieder einmal auf die Quasi-Monopostellung der Deutschen Telekom im Ortsnetzbereich hinzuweisen. Vor allem das Monopol der Telekom bei der letzten Meile sei schuld daran, dass "Deutschland den Anschluss an die New Economy noch nicht geschafft" habe. Heddendorf weiter: "Die derzeitigen Kostenstrukturen verhindern einen Preiswettbewerb, da sie Flatrates für den Provider zu einem unkalkulierbaren Geschäftsmodell machen. Das Kostenniveau ist in seiner momentanen Höhe eher Hindernis denn Motor für E-Commerce." Heddendorf und seine Mitstreiter von der Bürgerinitiative Internet ohne Taktung fordern eine so genannte "Großhandelsflatrate": Bei diesem Modell müssten Provider nur eine zeitunabhängige Pauschale an die Deutsche Telekom zahlen.

Schützenhilfe bekommt Heddendorf auch von dem Wirtschaftswissenschaftler Paul Welfens, dem Direktor des Europäischen Instituts für internationale Wirtschaftsbeziehungen (EIIW). Welfens führte in einer bereits Ende 1999 veröffentlichten, im Auftrag von AOL durchgeführten Studie aus, dass sich der "Beschäftigungseffekt [einer Flatrate] ... mittelfristig auf 100.000 ... bis 400.000 Arbeitsplätze ... belaufen" könnte. Auch er befürwortet daher entsprechende gesetzliche Regelungen, die auch den Ortsnetzbereich für den Wettbewerb öffnen würden. Welfens betont: "Ohne die Rahmenbedingungen für eine erschwingliche Flatrate steht ein Großteil der jungen deutschen E-Commerce-Unternehmen bald vor dem wirtschaftlichen Aus." (chr)