Wirtschaftsministerium sucht neue Wege gegen Telefon-Abzocke

Nachdem der Bundesrat im vergangenen Jahr ein Regulierungspaket von Rot-Grün zur Verbesserung des Kundenschutzes in der Telekommunikation scheitern ließ, gibt es nun einen weiteren umstrittenen Vorstoß.

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Nachdem der von CDU/CSU dominierte Bundesrat im vergangenen Jahr ein Regulierungspaket von Rot-Grün zur Verbesserung des Kundenschutzes in der Telekommunikation scheitern ließ, hat das Bundeswirtschaftsministerium im Rahmen der geplanten Änderung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) jetzt einen neuen Anlauf gemacht. Die von CDU/CSU als "Überregulierung" abgelehnten strengen Vorschriften der alten Regierungskoalition sollen demnach vereinheitlicht und entschlackt werden. Das Vorhaben ist aber erneut heftig umstritten. Während die Industrie "nach wie vor enorm hohe" Schutzauflagen ausgemacht haben will, sprechen Verbraucherschützer von einer "katastrophalen Verwässerung" der ursprünglichen Initiative.

Das vom Bundestag in der vergangenen Legislaturperiode bereits beschlossene Gesetz "zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vorschriften" sah vor, dass Telekommunikationsanbieter ihre Endkunden über die Kosten von Mehrwertdiensten umfassend unterrichten hätten müssen. Ein Warnhinweis sollte geschaltet werden, wenn bei Abonnements mehr als 20 Euro im Monat fällig werden. Preisansagen wären nicht nur bei Premiumdiensten sowie Auskunftsdiensten über 2 Euro erforderlich gewesen, sondern bei allen "Call by Call"-Gesprächen. Die Höchstgrenze für Mehrwertdienste im Mobilfunk sollte auf 3 Euro angehoben werden. SMS-Dienste ab 1 Euro hätte der Besteller im so genannten Handshake-Verfahren bestätigen müssen.

Der neue Referrentenentwurf für die TKG-Änderungen (PDF-Datei) sieht nun vor, dass die Betreiber sämtliche Warnhinweise bei Premium- und Auskunftsdiensten erst ab einem Preis von 3 Euro pro Minute schalten müssen. Die Anforderung der Rückbestätigung einer Bestellung bei Premium-SMS soll ab dieser neuen Preisgrenze erhalten bleiben. Zudem plant das Wirtschaftsministerium, die Kombinationsmöglichkeiten bei teuren Tarifen zu lockern. Die Pflicht zur Preisansage by "Call by Call"-Anrufen soll gänzlich entfallen. Automatische Rückrufbitten zu Mehrwertdiensten stehen aber weiter auf der Verbotsliste.

Der angestrebte Kompromiss scheint es wieder niemand richtig recht zu machen. "Einige Instrumente sind nun differenzierter und damit sachgerechter geworden", konstatiert Volker Kitz, Telekommunikationsexperte beim Branchenverband Bitkom, zwar zunächst. Gleichwohl bleibe aber weiterer Nachbesserungsbedarf, "um einen effektiven Kundenschutz mit Markterfordernissen in Einklang zu bringen". Manche "Sonderverpflichtungen" seien nicht zu rechtfertigen, wenn man sich sonstige Lebensbereiche anschaue. Konkret moniert Kitz, dass etwa Aboverträge auch ohne Grund jederzeit kündbar sein sollen. Dies sei "ein schwerer Eingriff in das deutsche Vertragssystem". Wenn jemand ein Auto für einen Monat miete, müsse er sich auch an den Vertrag halten. "Ständige Warnhinweise und Bestätigungsnachrichten" könnten die Nutzer zudem bevormunden. Angesichts der auf die Branche zukommenden Kosten für die Einrichtung der Schutzvorrichtungen vermisst der Bitkom auch die noch ausstehende Regelung für eine Entschädigung der Unternehmen für ihre Mitwirkung an der Telekommunikationsüberwachung. Hier stehe der Gesetzgeber nach wie vor in der Pflicht.

Patrick von Braunmühl aus dem Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen zeigte sich gegenüber heise online dagegen schwer enttäuscht, dass "nach Jahren der Diskussion wieder ein aus Kunden- und Verbrauchersicht halbherziger Entwurf auf dem Tisch liegt". Der seit Jahren zunehmenden Telefon-Abzocke könne das abgetönte Papier keinen Einhalt gebieten. Insbesondere die Anhebung der Grenze für Warnhinweise mache das Vorhaben "wertlos". Dabei stehe die Telekommunikation in der Missbrauchsstatistik der Verbraucherschützer nach Finanzdienstleistungen weiter an zweiter Stelle. Von Braunmühl bedauert in diesem Zusammenhang vor allem, dass besonders teure Kurzwahlrufnummern weiter als reine Mehrwertdienste behandelt werden sollen und nicht einmal eine Zuteilung der Premium-Kombinationen durch die Bundesnetzagentur vorgesehen sei. Gerade im Mobilfunk wolle es die Regierung anscheinend bei einer "Naturschutzzone" für Abzocker belassen. (Stefan Krempl) / (anw)