Zahlen, bitte! 0,9 Sekunden schneller tippen: Der IBM-Trackpoint

Die einen liebten, die anderen hassten ihn: Der Trackpoint, Mausersatzknubbel, spaltete die Nutzer. Ein Blick auf IBMs Idee, das Mauspad einzusparen.

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Von
  • Detlef Borchers

Die Computermaus ist eine Hilfe beim Steuern des Cursors, zugleich aber eine Störquelle beim Tippen von Texten. Die Suche nach der Maus kann den Schreibfluss hemmen. 1,35 Sekunden braucht ein geübter Mensch, um seine Hand von der Tastatur zur Maus zu bewegen.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Diese Ablenkung sollte ein kleiner in der Tastatur integrierter Knubbel minimieren: Der von IBM-Ingenieur Ted Selker Anfang der 1990er-Jahre erfundene TrackPoint sorgt dafür, dass die Hände beim Griff zur Maus auf der Tastatur bleiben und 0,9 Sekunden schneller wieder getippt werden kann.

Die Geschichte der Hilfsmittel, einen Computer zu bedienen, kennt viele Geräte. Sie beginnt mit dem Lichtgriffel von Ivan Sutherland und der Rollkugel von Rainer Mallebrein und führte schließlich zur Computermaus, dem dieses Zahlen, bitte gewidmet ist. Bei der Entwicklung der Maus gab es seltsame Exemplare wie die angeflanschte Maus am Z-Note von Zenith und noch seltsamere Werbung wie die von Logitech anno 1992.

Auch die Geschichte des TrackPoint kennt Kurioses wie die J-Mouse von Zenith, die extrem schwierig zu bedienen war. Die eigentliche Entwicklung der Kreuzung aus Joystick und Maus begann im Watson Research Center von IBM, wo sich die Ingenieure Ted Selker und Joseph Rutledge mit ergonomischen Fragen beschäftigten. Ihre bahnbrechende wissenschaftliche Arbeit Finger Force Precision for Computer Pointing (PDF-Datei) befindet sich in der Buxton Collection von Micsosoft, in der unter anderem die Geschichte des TrackPoints gesammelt wird.

IBM-Thinkpad 700 mit Trackpad auf der rechten Seite.

(Bild: Autor)

Die eigentliche Idee zum TrackPoint stammt vom IBM-Forscher Ted Selker. Er hatte das sehr einflussreiche Buch "The Psychology of Human Computer Interaction" von Card, Moran und Newell gelesen, in dem die Maus-Experimente von William English und Douglas Engelbart analysiert wurden, die bei der Mutter aller Demonstrationen zum Einsatz kamen.

Selker interessierte sich vor allem für die notwendigen Handbewegungen. "Ich überlegte, ob man besser einen Joystick mit der Hand nehmen sollte, beschäftigte mich aber dann damit, die J-Taste als Joystick-Taste zu nutzen", schrieb Selker in einer Mail an Bill Buxton, in der er die Entwicklungsgeschichte des TrackPoints erzählte. Im April 1984 schrieb er seine Überlegungen auf und reichte sie als Patent ein -- nur um die Sache in der Folgezeit erst einmal zu vergessen.

Drei verschiedene Arten des Trackpadknubbels.

(Bild: Autor)

Erst als Selker nach einem Ausflug zu Atari zum PARC von Xerox kam, konnte er mit dem Mathematiker Joseph Rutledge 1987 die Arbeit an der Idee wieder aufnehmen. Neben der mechanisch-technischen Entwicklung, für die Selker zuständig war und der Programmierung, die Rutledge besorgte, gab es zahlreiche Probleme zu überwinden. So galt es, für den Knubbel die richtige Gummi-Mischung zu finden, wobei Selkers Vater mithalf, der im Zweiten Weltkrieg für Gummi-Standards von Flugzeugreifen verantwortlich war. Die Arbeiten, für die Selker und Rutledge sechs Wochen veranschlagten, zogen sich in die Länge -- und wurden erneut unterbrochen, als beide zu IBM wechselten.

Zusammen mit Rutledge führte Selker am Watson Research Center von IBM zahlreiche Experimente durch, wo der Mausersatz am besten platziert wird. Über- oder unterhalb der Tastatur, seitlich oder zwischen verschiedenen Tasten. Dabei wurde immer wieder gemessen, wie Vielschreiber reagieren. Schließlich orientierte man sich an der "Ruhestellung" und platzierte den TrackPoint zwischen die Tasten g-h-b. In der abschließenden Messung zeigte sich, dass die Testpersonen 0,9 Sekunden schneller wieder am Tippen waren, was bei typischen Mausoperationen – etwa Cursor setzen und fehlendes Wort einfügen – zu einer um 25 Prozent verbesserten Textleistung führte.

Das nicht veröffentlichte Screenphone von 1992. Der Trackpoint ist direkt unterm Bildschirm.

(Bild: Autor)

Diese Werte wurden zur Vorstellung des ThinkPad 700 1992 in einem Artikel von Selker und Rutledge (PDF-Datei) veröffentlicht. Das Design des ThinkPad 700C wurde übrigens von den Designern Kaz Yamasaki und Richard Sapper entwickelt. Der deutsche Stardesigner war anfangs völlig entsetzt, als er das erste Mal mit einem Prototyp des TrackPoint einen Kreis zu zeichnen versuchte, wurde aber dann ein großer Fan des Knubbels. Er war es, der für den TrackPoint die Signalfarbe Rot vorschlug, die beim Design des ThinkPads eine wichtige Rolle spielte.

Schaut man auf die Liste seiner Publikationen, so sieht man, dass Ted Selker nach dem TrackPoint sich mit vielen Problemen beschäftigte, wie Maschinen den Menschen unterstützen können. Für seine Forschungen über Wahlmaschinen für behinderte Menschen erhielt er mehrere Auszeichnungen. Seine TrackPoint-Idee wurde 1997 patentiert und in der Folge von etlichen Laptop-Herstellern übernommen.

Das Patent lief 2007 aus. Abschließend sollte noch erwähnt werden, dass der TrackPoint im ThinkPad ein Ergebnis des "Yamoto-Projects" war: der Laptop wurde im japanischen Forschungszentrum von IBM entwickelt und sehr erfolgreich. Der Versuch, den TrackPoint in anderen Umgebungen einzusetzen, scheiterte. Hier sehen wir das im Yamoto Lab entwickelte Screenphone, das nicht auf den Markt kam: in Ermangelung der Touchscreen-Technologie, die später auf den Markt kam, wanderte der Knubbel unter den Bildschirm.

(mawi)