Zahlen, bitte! 596 Kilometer: ein kurzes Date mit Halley

ESA-Sonde Giotto ging mit nur 596 km Distanz auf Tuchfühlung mit dem Halleyschen Kometen und zeigte neben wertvollen Ergebnissen auch echte Nehmerqualitäten.

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Zahlen, bitte! 596 Kilometer: ein Date mit mit Halley
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Inhaltsverzeichnis

Über die Jahrtausende galt die Erscheinung des Halleyschen Kometen als einer der beeindruckensten und gefürchtetsten Himmelsereignisse. Bei dessen Ankunft 1986 empfingen ihn hingegen nicht verängstigte Bürger, sondern vor allem ein Begrüßungskomitee aus fünf Sonden. Die riskanteste und erfolgreichste Mission kam dabei aus Europa.

Kometen waren erst seit dem 18 Jahrhundert als wiederkehrende Himmelskörper bekannt. Davor galten Kometen oft als gefürchtete Vorboten von Unglücken, die sich scheinbar völlig entkoppelt von der Ordnung der anderen Himmelskörper bewegten und von zornigen Mächten geschickt wurden.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Mit Kometensichtungen wurden beispielsweise militärische Niederlagen und Unglücke verbunden. Bekanntestes Beispiel ist sicherlich der sogenannte Komet Caeser, der zum Zeitpunkt der Ermordung Julius Caesars 44 vor Christus am Himmel erschien und von zeitgenössischen Quellen als Vergöttlichung der Seele Julius Caesars interpretiert wurde.

Der Vesuvausbruch 79 n. Chr. sowie die große Niederlage der Angelsachsen gegen die Normannen im Jahr 1066 wurden jeweils von Kometenerscheinungen begleitet, letztere sogar durch den Kometen Halley. Auch das Lukas-Evangelieum lieferte neuen Stoff für die Theorie des "Zorn Gottes", die beim Auftreten eines Kometen im Jahr 1618 und dem damaligen fast zeitgleichen Beginn des dreißigjährigen Krieges scheinbar bewiesen wurde.

Namensgebend für die Giotto-Sonde: Adorazione dei Magi von Giotto di Bondone, um 1305.
Als Stern von Bethlehem hat er hier höchstwahrscheinlich den Halleyschen Kometen illustriert.

Diesem Aberglauben widersetzte sich allmählich die Wissenschaft. Bereits im Jahr 1577 erkannten der dänische Astronomon Tycho Brahe und dessen deutscher Kollege Michael Mästlin, dass Kometen echte Himmelkörper sein müssen und keine Erscheinungen innerhalb der Atmosphäre sein können.

Über diese Frage gerieten damals viele Gelehrte in Streit. Und erst mit dem britischen Astronom Edmond Halley kam 1705 der entscheidende Impuls in diese Frage: Durch seinen Freund Isaac Newton unterstützt, verglich er die Kometensichtungen der vergangenen Jahrhunderte mit einem 1682 durch den sächsischen Bauern und Astronomen Christoph Arnold entdeckten Kometen.

Mehr Infos

Startmasse:
960 Kilogramm

Dimensionen:
1, 1 m x 1,1m x 1,85m

Relativgeschwindigkeit zum Halleyschen Kometen:
68,7 km/s
247320 km/h

Missionsdauer:
7 Jahre, 21 Tage

Ergebnisse:

Ungefähre Maße Halleyscher Komet:
15,3 km × 7,2 km × 7,2 km

Zusammensetzung Schweif Halley:

80% Wasser
10% Kohlenmonoxid
2% Methan
2% Formaldehyd
1,5% Kohlendioxid
1% Stickstoff

Halley erkannte, dass sich die Flugbahnen zweier weiterer Kometen mit von Arnold entdeckten ähnelten, außerdem war die Periodik von im Schnitt 75 Jahren augenfällig. Somit sagte er in seiner wissenschaftlichen Abhandlung "A synopsis of the astronomy of comets" für 1758 das nächste Erscheinen des Kometen voraus. Diese Vorhersage traf auch ein, sodass der bereits 1742 verstorbene Edmond Halley posthum Namensgeber für den Halleyschen Kometen wurde und nebenbei auch einen Nachweis für die Newtonschen Gravitationsgesetze lieferte.

Rückblickend ließen sich über 25 zeitgenössische Sichtungen dem Halleyschen Kometen zuordnen. Gesichert bis 240 v. Chr, andere Quellen gehen sogar von Sichtungen bis 2467 v. Chr aus.

Sonde trifft zwei Kometen - die Rekordannäherungen von Giotto (7 Bilder)

Bildplatten-Reproduktion des Halleyschen Kometen von 1910.
(Bild: ESA)

Eine Kometenmission war bei der europäischen Raumfahrtagentur ESA (und dem Vorgänger ESRO) seit den 1960ern im Gespräch, aber erst Ende des darauf folgenden Jahrzehnts nahmen diese Pläne langsam Gestalt an. Zunächst war geplant, mit der NASA zusammen eine Mission durchzuführen, was aber aus Kostengründen von den USA verworfen wurde. Fehlende politische Weitsicht und Budgetstreit führte dazu, dass die NASA keine Sonde zum Kometen Halley schickte.

Am 2. Juli 1985 startete eine Ariane 1 mit Giotto an Bord vom Weltraumbahnhof Kourou. Neben der ESA schickten sowohl Russland (Vega 1 und 2) als auch Japan (Sakigake, Suisei) jeweils zwei Missionen zum Kometen. Die kurz vorm Vorbeiflug Giottos aufgenommenen Daten der Vega-Sonden halfen der ESA, Giotto genauer am Kometen heran zu steuern.

Giotto während der Entwicklung. Das Bild erlaubt ohne die Außenhülle einen Blick in die innere Struktur.

(Bild: ESA)

Geplant war eine Durchquerung der über 100.000 km weiten Koma, sowie der kühne Vorbeiflug in nur 500 Kilometern Entfernung zum Kern. Da die Gefahr groß war, dass die Sonde den Vorbeiflug nicht überstand, übertrug die Sonde die Daten direkt.

Ein Kometenschweif, hier geteilt in Staub und Gaspartikel.

(Bild: NASA)

Die Sonde näherte sich am 14.03.1986 unter weltweiter Aufmerksamkeit dem Halleyschen Kometen bis auf 596 Kilometer und arbeitete bis siebeneinhalb Sekunden vor der größten Annäherung einwandfrei. Durch das Auftreffen von Kometenpartikeln und einem durch Ionisierung bedingten Kurzschluss schwer beschädigt, verlor Giotto den Kontakt zur Bodenstation. Die winzigen Teilchen wirkten aufgrund der enormen relativen Geschwindigkeit der Sonde zum Kometen (68,7 km/s) wie Schrapnellpartikel, die selbst dem robust dimensionierten Schild zusetzten.

Etwa 22 Minuten war nicht klar, ob die Sonde wieder arbeiten könnte, dann hatten die Lage-Bordsysteme die Sonde so weit stabilisiert, dass sie wieder mit der Bodenstation Kontakt aufnahm. Die Kamera hatte es besonders erwischt - sie war unbrauchbar. Insgesamt waren zwei Experimente zerstört, vier hatten Teil-Schäden aufzuweisen, vier waren unversehrt. Die Temperaturschwankungen wiesen zudem auf erhebliche Beschädigungen an der Außenhülle hin. Änderungen der Rotationsrate zufolge muss die Sonde beim Teilchenbeschuss über 600 Gramm an Masse verloren haben.

Glücklicherweise blieb die Antriebseinheit intakt. Jetzt kam die Kür: Statt abgeschaltet zu werden kehrte Giotto durch entsprechende Kurskorrekturen als erste Sonde überhaupt aus dem interplanetaren Raum zur Erde zurück, um 1990 ein Swing-By-Manöver zu vollziehen und mit Kurs auf Grigg-Skjellerup einen anderen Kometen anzusteuern. Bei dem erfolgreichen Manöver unterbot Giotto den eigenen Rekord einer Kometenannäherung und näherte sich Grigg-Skjellerup am 10. Juli 1992 auf rund 200 Kilometer an.

Kurz danach hatte die Sonde ihr Missionsende erreicht; Giotto wurde allen Widrigkeiten zum Trotz viel länger als geplant genutzt. Mit den beiden Komet-Annäherungen hat sie nicht nur Rekorde aufgestellt, sondern auch viele wertvolle Daten über Halley gesammelt. Und an ihr testete die ESA Techniken wie den Ruhemodus oder Fly-By-Manöver, die später für den Erfolg der Rosetta-Mission enorm wichtig wurden. (mawi)