Zehn Jahre Deutsche Telekom

Schuldenberg, Stellenabbau, Klagewelle gebeutelter Aktionäre -- "Wir sind ein ganz normales Unternehmen", meint Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke.

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Von
  • Peter Lessmann
  • dpa

"Wir sind wieder ein ganz normales Unternehmen". Kai-Uwe Ricke wird nicht müde, Europas größten Telekom-Konzern ins rechte Licht zu rücken. Gut zwei Jahre nach seinem Amtsantritt als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG ist in der Bonner Konzernzentrale fast wieder Normalität eingekehrt - pünktlich zum "Rosenjubiläum" des rosa Riesen, dem 10-jährigen Bestehen des Unternehmens. Und der Blick zurück zeigt, die Telekom von heute hat mit dem Fernmelderiesen von einst nur noch wenig gemeinsam.

Am 1. Januar 1995 schlagen der Staatsbetrieb und seine beiden Schwesterunternehmen Post und Postbank ein neues Kapitel auf. Mit dem in Kraft treten der Postreform II wird an diesem Tag die Deutsche Telekom AG aus der Taufe gehoben. In der Eröffnungsbilanz stehen Immobilienwerte, die sechs Jahre später den Konzern in die Bredouille bringen werden. Eine Wertberichtigung um 2,5 Milliarden Euro 2001 hat eine Klagewelle zur Folge. Im Herbst 2004 beginnt einer der größten zivilen Wirtschaftsprozesse. Zahlreiche Aktionäre fordern Schadenersatz für die ihrer Ansicht nach überteuerten Aktien, die sie beim dritten Börsengang Mitte 2000 erworben hatten.

Doch in die Annalen der Telekom-Geschichte ist ein anderes Ereignis eingegangen: Der Börsengang im November 1996. Millionen von Kleinaktionären zeichneten die T-Aktie für damals 28 DM (14,28 Euro). Für den großen Erfolg des Börsengangs hatte auch ein Mann gesorgt, der mit viel Werberummel und öffentlichem Getöse die T-Aktie anpries: Ron Sommer. Sieben Jahre leitete der Manager die Geschicke des Unternehmens und drückte ihm seinen Stempel auf. Expansion ins internationale Geschäft, hieß die Devise. Der Ex-Monopolist, der 1998 durch die Marktöffnung harte Konkurrenz im Inland bekam, sollte ein global agierendes Unternehmen werden. Auch wenn die Fusion mit der Telecom Italia 1999 scheiterte und das Bündnis mit France Télécom zerbrach, gelang vor allem im Mobilfunk der internationale Durchbruch.

Während in Osteuropa, Großbritannien und USA der Markteinstieg gelang, blieb die Telekom in Frankreich, Spanien und Italien außen vor. Trotzdem ist der Mobilfunk Wachstumstreiber des Konzerns geblieben. Vor allem die viel gescholtene T-Mobile US, auch bekannt unter VoiceStream, ist heute eine Perle des Unternehmens. Dabei hatten noch vor wenigen Jahren Börsianer den Verkauf gefordert, um die Schulden abzubauen. Vom Umsatz hat die US-Tochter ihre deutsche Schwester inzwischen übertrumpft. Das ist für Ex-Telekom-Chef Sommer im Nachhinein eine Genugtuung. Schließlich hatte er den Erwerb vehement betrieben und wurde am Ende auch deswegen vor die Tür gesetzt. Noch gravierender aber war der enorme Schuldenstand von über 65 Milliarden Euro der neben der schlechten Börsenstimmung auf die T-Aktie drückte. Von ihrem Höchststand im Frühjahr 2000 (104 Euro) ist die T-Aktie auch heute noch weit entfernt (16,50 Euro). Doch es geht aufwärts. Die gebeutelten T-Aktionäre spüren Morgenluft. Für 2004 hat der Vorstand ihnen wieder eine Dividende versprochen.

Ohnehin hat sich die Stimmung bei der Telekom gewandelt. Im Vorstandsteam um Ricke stimmt die Chemie. In den vergangenen zwei Jahren wurde gründlich aufgeräumt. Die Schulden wurden auf unter 40 Milliarden Euro gedrückt und der Konzern neu aufgestellt: Nicht mehr die vier Säulen (Festnetz, Mobilfunk, Internet, Systemgeschäft) liefern das Fundament der Geschäftsstrategie, sondern die Kunden - und zwar in den Bereichen Mobilfunk, Breitband/Internet und Geschäftskunden.

Auch der Wandel ging nicht ohne schmerzhafte Einschnitte bei der Belegschaft. 55 000 Arbeitsplätze wurden in den Jahren 2001 bis 2005 gestrichen. Derzeit beschäftigt die Telekom weltweit 247 000 Menschen, davon die Hälfte in Deutschland. Gestartet war das Unternehmen 1995 mit etwa 220 000 Männern und Frauen. Im Durchschnitt wurden nach Angaben von Ricke jährlich 10 000 Arbeitsplätze eingespart. Damit war fast die Hälfte der alten Belegschaft von Stellenabbau oder Versetzung betroffen.

Im Fokus steht weiterhin die traditionsreiche Festnetzsparte, die immer noch als wenig effektiv gilt. Und schon machen neue Berichte über drastische Personaleinschnitte die Runde: Doch die Gewerkschaft ver.di erhebt den Zeigefinger: Die Telekom habe über Jahre massiv Stellen eingespart, sagt ein Sprecher. "Jetzt ist die Luft raus". (Peter Lessmann, dpa) (cp)