Zu kritisch? EU-Abgeordnete wählen Datenschutzbeauftragten Wiewiórowski ab

Der Innenausschuss des EU-Parlaments kürt Kommissionsvertreter Bruno Gencarelli zum Vorzugskandidaten für die Rolle des EU-Datenschutzbeauftragten.

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Wojciech Wiewiórowski

Der aktuelle Datenschutzbeauftragte der EU, Wojciech Wiewiórowski

(Bild: EDPS)

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Es war ein knappes Rennen: Der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des EU-Parlaments hat am Donnerstag nach einer Anhörung der vier Kandidaten in geheimer Abstimmung Bruno Gencarelli als bevorzugten Kandidaten für die Rolle des Europäischen Datenschutzbeauftragten (EDPS) gewählt. Der derzeitige Leiter für internationale Datenströme und Datenschutz in der Generaldirektion Justiz und Verbraucher der EU-Kommission erhielt 32 Stimmen. Amtsinhaber Wojciech Wiewiórowski, der in den vergangenen fünf Jahren immer wieder den Finger in die Wunden beim Absichern der Privatsphäre in der Gemeinschaft legte, konnte nur noch 26 Abgeordnete von sich überzeugen.

Dazwischen liegt noch François Pellegrini, Ex-Vizepräsident der französischen Datenschutzbehörde CNIL, liegt mit 30 Stimmen. Für Anna Pouliou, Datenschutzbeauftragte der EU-Organisation für Kernforschung (CERN), sprachen sich elf Volksvertreter aus. Der LIBE-Ausschuss muss sich noch mit dem Ministerrat auf die Ernennung einigen. Dort galten zunächst Wiewiórowski und Gencarelli als aussichtsreichste Kandidaten.

Wiewiórowski sorgte zuletzt mit seiner eisernen Haltung im Streit über die Anwendung von Microsoft 365 bei der Kommission und ihr unterstellter Behörden für Schlagzeilen. Er stufte den Einsatz des Cloud-basierten Office-Pakets im Lichte des "Schrems-II-Urteils" des Europäischen Gerichtshofs als rechtswidrig ein und forderte die Brüsseler Regierungsinstitution jüngst noch einmal auf, alle sich daraus ergebenden Datenströme in Drittstaaten umgehend auszusetzen. Gencarelli dürfte seinem aktuellen Arbeitgeber weniger kritisch gegenüberstehen.

Wiewiórowski verteidigte das Prinzip der Datenminimierung selbst im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz (KI) und monierte schwerwiegende Mängel bei der geplanten Chatkontrolle. Erst im Dezember rüffelte er die Kommission, weil sie zielgerichtete Werbung unter Nutzung besonders sensibler persönlicher Daten für das umstrittene Überwachungsinstrument machte. 2020 rügte der gebürtige Pole, dass Europol-Ermittler mit dem Sammeln und Analysieren nicht mehr überschaubarer Datenmengen ihre Befugnisse überschritten und rechtswidrig gehandelt hätten. 2022 klagte er gegen die Lizenz der EU-Polizeibehörde zur Massenüberwachung und scheute auch sonst nicht vor Rechtsstreitigkeiten zurück.

In seiner eigenen Behörde war Wiewiórowski zuletzt weniger gut gelitten. Dem Vernehmen nach sollen sich Mitarbeiter ausgebremst gefühlt haben. Abgeordnete aus dem liberalen und linkeren Spektrum erstaunte zudem, dass er sich in manchen Fragen weniger stark gegen potenziell illegitime Überwachung engagierte wie etwa in seiner befürwortenden Eingabe zum neuen Abkommen über den Transfer von Fluggastdaten zwischen der EU und Kanada. So unterstützte ein Lager aus der liberalen Renew-Fraktion über die Grünen bis zur Linken letztlich Pellegrini, dem sein Ruf als durchsetzungsstarker Grundrechtsverfechter bei der CNIL vorauseilte. Auch als Informatiker konnte er bei dieser Gruppe punkten.

Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), der CDU und CSU angehören, war für Gencarelli, der auf Kommissionsseite die Verhandlungen über das umstrittene Nachfolgeabkommen zum EU-US-Datenschutzschild geleitet hat. Offenbar folgten den Konservativen noch weiter rechts stehende Abgeordnete. Gencarelli versprach in Antworten auf Fragen der Parlamentarier die "Weiterentwicklung eines konkreten und lösungsorientierten Ansatzes" zum Datenschutz. Seine Position zur Vorratsdatenspeicherung? Unklar: Er will reaktionsstark zu datenschutzkonformen Lösungen für die sich weiterentwickelnde legislative Agenda der EU wie den "Zugang zu und die Speicherung von Daten durch Strafverfolgungsbehörden" beitragen.

(ds)