Zustimmung im Bundesrat zum Anti-Pirateriekurs BrĂĽssels

Ausschüsse der Länderkammer machen sich in ihren Kommentaren zur geplanten "Content Online"-Strategie der EU-Kommission für einen zivilrechtlichen Auskunftsanpruch gegen Provider und "freiwillige Vereinbarungen" stark.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 148 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Ausschüsse der Länderkammer setzen sich in ihren Kommentaren (PDF-Datei) zur geplanten Strategie "Content Online" der EU-Kommission für einen zivilrechtlichen Auskunftsanpruch gegen Internetprovider und zusätzliche "freiwillige Vereinbarungen" ein. Der Bundesrat solle am Freitag die Auffassung der Kommission teilen, "dass es sich bei der Internetpiraterie um ein zentrales Problem bei der digitalen Verwertung von geschützten Werken handelt". Rechteinhaber müssten daher effektive Mittel an die Hand bekommen, um gegen Rechtsverletzungen vorzugehen.

Dazu zählen die Fachpolitiker im Sinne früherer Stellungnahmen zum einen die Einführung eines Schadensersatzanspruchs; der Verletzer soll also nicht nur die einfache Lizenzgebühr zahlen. Dazu kommt die Einführung eines "praktikablen und erfüllbaren" Anspruchs der Rechtehalter auf Auskunft über Nutzerdaten hinter einer IP-Adresse. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zu dieser Frage habe den Mitgliedsstaaten keine engen Grenzen gesetzt. Die Ausschüsse raten ferner zu zusätzlichen Vereinbarungen zwischen der Musik- und Filmindustrie, Providern und Verbrauchern. Auf konkrete Vorschläge wie das in Frankreich geplante Kappen des Netzzugangs bei illegalen Downloads oder Warnungen der Zugangsanbieter gehen sie nicht ein.

Die britische Medienrechtskanzlei Wiggin hatte jüngst mit einer Umfrage Öl in diese hitzige Debatte gegossen. Laut dem "Digital Entertainment Survey" würden 70 Prozent der Nutzer im Vereinigten Königsreich illegales Filesharing stoppen, wenn der Provider ihnen einen Hinweis auf das rechtswidrige Treiben sendete. 68 Prozent waren aber auch der Ansicht, dass die Chance erwischt zu werden, "sehr unwahrscheinlich ist".

Digitales Rechtekontrollmanagement kann nach Meinung des Europa- und der Kulturausschusses des Bundesrates zwar zum Schutz von Inhalten und einen "wohlverstandenen Ausgleich zum Informationsbedürfnis der Verbraucher" geeignet sein. Es sei aber bei Informationen vermittelnden Einrichtungen wie Hochschulen sicherzustellen, dass DRM-Systeme "nur im angemessenen Umfang" angewendet werden. Gemäß einem Grundsatzpapier der Kommission über wissenschaftliche Informationen im Digitalzeitalter sollten nach dem Prinzip des "Open Access" "Forschungsdaten von vollständig öffentlich finanzierter Forschung allen zugänglich sein.

Überlegungen der Kommission, ähnlich wie im Musiksektor stärker auf gebietsübergreifende Lizenzen für kreative Inhalte zu setzen, sehen die Ausschüsse skeptisch. Bei der kollektiven Verwertung durch Verwertungsgesellschaften sei weiter auf Gegenseitigkeitsverträge zu bauen. Andernfalls wären gerade kleinere nationale Einrichtungen zur Wahrnehmung der Rechte der Kreativen in ihrer Existenz bedroht, mit entsprechend negativen Folgen für die kulturelle Vielfalt in Europa.

Auch eine Regelung für "verwaiste Werke" müsse sorgfältig geprüft werden, meinen die Ausschüsse. Hohe Transaktionskosten könnten demnach nicht rechtfertigen, geschützte Werke ohne Zustimmung der Urheber zu nutzen; nicht nur im Hinblick auf vermögensrechtliche Interessen der Urheber, "sondern auch zur Wahrung ihrer urheberpersönlichkeitsrechtlichen Befugnisse". Dass Werke wirtschaftlich oder gesellschaftlich "unproduktiv" seien, ändere daran nichts. Letztlich handele es sich um eine ähnliche Problematik wie bei der Übergangsregelung für unbekannte Nutzungsarten im deutschen Urheberrecht. Es müssten zumindest vergleichbare Sicherungen wie dort eingebaut werden. (Stefan Krempl) / (anw)