Zwischen Mut und Leichtsinn

Deutsche Unternehmer haben die Risiken ihrer Entscheidungen nur selten richtig im Blick. Der kurzfristige finanzielle Erfolg ist wichtiger, wie eine TÜV-Studie zeigt.

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Von
  • Marzena Sicking

In mittelständischen Unternehmen fehlt es häufig an einer ganzheitlichen Risikobetrachtung. Zu diesem Ergebnis kommt die repräsentative "TÜV Rheinland-Risikostudie mit dem Schwerpunkt deutscher Mittelstand". Befragt wurden Geschäftsführer und Verantwortliche für das Risikomanagement von insgesamt 605 Unternehmen.

Demnach fließen bei den meisten Firmen wirtschaftliche Aspekte nur spärlich in die Risikobetrachtung ein, ökologische und soziale so gut wie gar nicht. Auch messen und bewerten lediglich 48 Prozent der befragten Unternehmen ihre Maßnahmen zur Risikominimierung. 25 Prozent der Unternehmen haben kein entsprechendes Managementsystem, 30 Prozent nehmen gar keine Risikosteuerung vor. Nur neun Prozent der Befragten verfügen über standardisierte Messmethoden und Analysen, die bei der Einschätzung und Minimierung von Risiken helfen sollen. Auch hier geht es meist nur um wirtschaftliche Aspekte, ökologische und soziale Faktoren spielen nur selten eine Rolle. 20 Prozent der Befragten konnten in Bezug auf die Zukunftsfähigkeit ihres Unternehmens keinerlei Angaben zu möglichen Risiken machen.

Risikobereitschaft deutscher Unternehmen - Repräsentative Umfrage unter deutschen Unternehmern und Risikomanagern (N=605).

(Bild: TÜV Rheinland)

Sind Maßnahmen vorhanden, überprüft mehr als die Hälfte der Unternehmen deren Wirkung nicht, 14 Prozent halten eine Evaluation gar grundsätzlich nicht für sinnvoll. Nur jedes vierte Unternehmen informiert die eigenen Mitarbeiter über eingeleitete Schritte zur Risikominimierung. Zugleich schätzten sich 43 Prozent der Befragten als risikofreudiger als ihre Mitbürger ein. Eine brisante Mischung, wie die Experten des TÜV meinen: Paare sich bei Unternehmern und verantwortlichen Managern geringe Risikosensibilität mit hoher Risikobereitschaft, könne dies die Existenz des jeweiligen Unternehmens massiv gefährden. Das Fazit der Studienauftraggeber: "Deutsche Unternehmer balancieren zwischen Mut und Leichtsinn".

Wie die Ergebnisse im Detail weiter offenbaren, blenden mittelständische Unternehmen in ihren Planungen die Anforderungen von Banken, Lieferketten und Kunden nahezu komplett aus. Auch für den Wettbewerb entscheidende Trends, wie zum Beispiel Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung, werden meist ignoriert. Wahrgenommen werden nur Faktoren, die unmittelbar auf die monetäre Situation des Unternehmens einwirken. Wettbewerb, Konjunktur, Fachkräftemangel und steuerliche Reglementierungen sind von den Befragten zwar so gut wie nicht beeinflussbar, beschäftigen sie aber mehr als Umwelt, Mitarbeitersicherheit und -gesundheit oder Nachfolgeregelungen und werden auch als riskanter wahrgenommen. Dr. Stefan Poppelreuter, Projektverantwortlicher der Studie bei TÜV Rheinland: "Mancher deutsche Mittelständler erinnert an einen Fahranfänger – geringe Risikosensibilität bei gleichzeitig hoher Risikobereitschaft. Um nicht aus der Kurve zu fliegen, ist ein begleitendes Risikomanagement dringend zu empfehlen." ()