Zwist um Datenschutz in der SPD-Bundestagsfraktion dauert an
Der innenpolitische Berichterstatter Michael Bürsch hat sich gegen Vorwürfe verwahrt, der bisherige Datenschutzkoordinator Jörg Tauss sei aus seiner Position herausgekickt worden, und Kernelemente für die Datenschutznovelle umrissen.
Der innenpolitische Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Bürsch, hat sich gegen Vorwürfe verwahrt, ein Komplott gegen den früheren Datenschutzkoordinator Jörg Tauss mitbetrieben zu haben. Die von seinem Kollegen eingenommene "Märtyrer-Rolle" entspreche nicht den Tatsachen, erklärte Bürsch gegenüber heise online. In der Auseinandersetzung sei es allein um die Frage gegangen, wer die Federführung bei der laufenden Reform des Datenschutzrechts haben solle. Hier habe die Fraktion entschieden, dass der Innenbereich zuständig sein solle. Weiter sei keine Abweichung von der seit Jahrzehnten bestehenden Regel ins Auge gefasst worden, dass bei einem Thema ein Berichterstatter den Hut aufhabe. Tauss habe dagegen darauf bestanden, dass er ausdrücklich "Co-Berichterstatter" werden wolle und ein "Zwillingspaar" das Sagen haben solle. Diesem Wunsch sei Fraktionschef Peter Struck nicht gefolgt.
Am Freitag war bekannt geworden, das sich Tauss nach einem Gespräch mit der Fraktionsspitze nicht mehr der Koordination von Datenschutzfragen widmen will. Seit dem Rücktritt des anerkannten Dampfmachers in Fragen der Sicherung der Privatsphäre der Bürger habe sich eine regelrechte "Hasswelle" gegen ihn ergossen, monierte Bürsch nun. Dabei habe die Fraktion Tauss "jede Brücke gebaut", um sich – genauso wie andere Experten aus SPD-Arbeitsgruppen und Referaten – in das Gesetzesvorhaben entscheidend mit einzubringen. Dass Tauss im Gegensatz zu ihm die umstrittene Novelle des Gesetzes für das Bundeskriminalamt (BKA) und die darin enthaltenen heimlichen Online-Durchsuchungen bei der entscheidenden Abstimmung abgelehnt habe, sei in der Auseinandersetzung kein Thema gewesen.
Inhaltlich umriss Bürsch im Streit um die Reform des Bundesdatenschutzgesetzes eine Reihe von Kernbestandteilen aus Sicht der SPD. Erhalten bleiben müsse demnach der Ansatz von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), vor der Weitergabe und Nutzung von Personendaten für Werbung von Drittfirmen künftig eine Einwilligung der Betroffenen gemäß dem Opt-in-Prinzip zu verlangen. Damit solle das "Listenprivileg" fallen, wonach derzeit Adressdaten nebst Angaben zu Beruf, Geburtsdatum oder Hobbys noch frei gehandelt werden dürfen. Weiter sei es für die SPD essenziell, dass das von ihr seit einem Jahrzehnt geforderte Datenschutzaudit komme. Beschlossen werden solle zudem ein sogenanntes Koppelungsverbot, wonach Anbieter Dienstleistungen nicht mehr mit der Preisgabe persönlicher Daten verknüpfen dürften.
Weiter in Arbeit ist laut Bürsch zudem ein umfangreiches Papier der SPD-Fraktion zur Datenschutzpolitik. Darin sollten Schritte zu einer weiteren, bereits vielfach geforderten grundsätzlichen Reform des Datenschutzrechts umrissen werden. Hier wolle sich die Fraktion noch weiteren Sachverstand von außen etwa bei Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern einholen. Aufgenommen werden sollten ferner etwa Eckpunkte für ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz.
Tauss selbst erklärte derweil am heutigen Dienstag seinen Fraktionskollegen offiziell seinen Rückzug. Dabei sparte der medienpolitische Sprecher der Sozialdemokraten nicht mit Kritik an der Führungsspitze. Die Aufforderung von Fraktionschef Peter Struck an Tauss, künftig in Datenschutzfragen Bürsch allein "zuzuarbeiten", verurteilte der langjährige Matador der SPD in diesem Sektor in einem heise online vorliegenden Brief an die Kollegen scharf: "Dies bedeutet inhaltlich, dass wir uns in Sachen Datenschutz weiterhin von Herrn Schäuble und der Union die Agenda diktieren lassen."
Zugleich bedauerte der baden-württembergische Abgeordnete, dass am Tag seiner "Abberufung" vergangene Woche im EU-Rat mit Zustimmung Deutschlands die Datenschutzbestimmungen im Telekommunikationsbereich erneut verschlechtert worden seien. Ferner werde gerade vom Bundeswirtschaftsministerium der Versuch unternommen, die als Reaktion auf die "ungeheuerlichen Datenschutzskandale und Fälle von Datenklau" auf einem Gipfel von Bund und Ländern beschlossenen Korrekturvorschläge zurückzunehmen. Der für November angekündigte Kabinettsbeschluss zur Datenschutznovelle steht somit weiter aus. Zu der personellen Auseinandersetzung wollte Tauss sich heute nicht gegenüber der Presse äußern. (Stefan Krempl) / (pmz)