Zypries will im Vorfeld gegen terroristische Straftaten vorgehen
Die Bundesjustizministerin hat zwei geplante neue Straftatsbestände vorgestellt, mit denen Anleitungen im Internet zu Anschlägen sowie Ausbildungen zu Attentaten verboten werden sollen.
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries will strafrechtliche Regelungen schaffen, mit denen der Staat schon im Vorfeld gegen terroristische Anschläge vorgehen können soll. Dafür hat die SPD-Politikerin am heutigen Dienstag in Berlin die Eckpunkte für zwei neue Straftatsbestände vorgestellt, mit denen sie Vorbereitung von terroristischen Gewalttaten und die Anleitung zu solchen Taten insbesondere im Internet kriminalisieren will. "Deutschland ist Teil eines weltweiten Gefahrenraums und wir können einen terroristischen Anschlag in unserem Land nicht ausschließen", begründete Zypries den Vorstoß mit einer "ganz und gar nicht neuen Erkenntnis". Die rechtlichen Grundlagen zur Terrorabwehr seien zwar bereits etwa mit den unter Rot-Grün verabschiedeten Anti-Terrorpaketen "erheblich verbessert" worden. Unabhängig von den aktuellen Festnahmen dreier Terrorverdächtiger wolle sie nun aber noch bestehende strafrechtliche Lücken schließen.
Um gegen Hetzpropaganda von Terroristen, Bombenbau-Anweisungen oder das Werben für eine Ausbildung in terroristischen Trainingslagern strafrechtlich vorgehen zu können, plant die Ministerin die Schaffung eines neuen Paragraphen 91 Strafgesetzbuch (StGB). Damit soll allgemein vor allem das Verbreiten oder das Anpreisen von terroristischen "Anleitungen" – beispielsweise im Internet – erfasst und mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden können. Das Netz als weltweiter Kommunikationsraum habe als Propagandamedium für Terroristen in erheblichem Umfang an Bedeutung gewonnen, schließt sich Zypries hier den wiederholt geäußerten Sorgen von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) an. Die dort zu findenden virtuellen Terror-Camps würden auch ohne konkreten Tatbezug eine erhebliche Gefahr für den öffentlichen Frieden darstellen. Sie könnten "ohne weitere Zwischenschritte" zur Vorbereitung von Gewalttaten verwendet werden – und würden nach den Erkenntnissen der Strafverfolgungsbehörden auch dazu genutzt.
Gemäß dem neuen Paragraphen 91 müssen derlei Anleitungen vom Täter nun nicht mehr direkt dazu "bestimmt" sein, einen speziellen Schaden eintreten zu lassen. Dieses bisher erforderliche Tatbestandsmerkmal hat den Strafverfolgern in der Vergangenheit nach eigenen Angaben die Arbeit wesentlich erschwert, da es wegen seines subjektiven Gehalts schwierig nachzuweisen ist. Statt dessen soll es künftig ausreichen, dass die jeweilige Anleitung nach den Umständen ihrer Verbreitung etwa im Rahmen einer islamistischen oder rechtsextremistischen Webseite "objektiv geeignet" ist, die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine Gewalttat mit einer staatsschutzrelevanten Zielsetzung zu begehen. Ebenfalls kriminalisiert werden soll, wer sich eine solche Anleitung etwa durch das Herunterladen aus dem Internet zur Begehung einer solchen Gewalttat verschafft. Dieser Tatbestand hätte dem Justizministerium zufolge etwa bei der Vorbereitung der versuchten Anschläge auf Regionalzüge im Sommer 2006 greifen können.
Von der Strafbarkeit ausnehmen will Zypries Handlungen, die zwar den objektiven Tatbestand der Strafnorm erfüllen, aber zugleich "ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger beruflicher oder dienstlicher Pflichten oder der Forschung, Wissenschaft oder Lehre dienen". Straflos würden damit etwa Recherchen der Polizei im Internet, bei der einschlägige Webseiten identifiziert und zu diesem Zweck auch aufgerufen werden müssen. Ob sich Journalisten im Rahmen dieser Norm Bombenbau-Anleitungen im Web ansehen dürften, scheint dagegen schon weniger klar. Weiterhin bereits nicht vom Tatbestand erfasst sein sollen etwa Hinweise in Chemiebaukästen oder Lehrbüchern.
Weiter hat Zypries in ihr Anti-Terrorbündel einen neuen Paragraphen 89a StGB gepackt. Damit soll vor allem die Ausbildung und das Sich-Ausbilden-Lassen zum Begehen einer terroristischen Gewalttat mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren streng bewehrt werden. Die neue Klausel ist allerdings recht breit angelegt. Erfassen soll sie unter anderen auch Vorbereitungshandlungen, in denen "Gefährder" bestimmten Stoffen wie Viren, Gifte, radioaktive Stoffe, (Flüssig-)Sprengstoffe oder besondere zur Ausführung der vorbereiteten Tat erforderlichen Vorrichtungen wie Zünder herstellen, sich verschaffen, anderen überlassen oder verwahren. Das gleiche soll auch für "Grundstoffe" gelten, um solche Waffen, Stoffe oder Vorrichtungen herzustellen. Der geplante Straftatsbestand bezieht sich zudem auf die Finanzierung eines Anschlags. Wer etwa Geldmittel in nicht unerheblicher Menge für den Kauf von Sprengstoffen, für das Anmieten von Wohnungen oder das Buchen von Flugtickets zur Verfügung stellt, musst mit den schweren Strafen rechnen. Betroffen sein sollen auch die Sammler von vermeintlichen "Spenden" zur Vorbereitung von Attentaten.
Der bereits bestehende und heftig umstrittene "Terrorparagraph" 129a sowie die Ergänzung in 129b StGB gehen laut Zypries noch nicht weit genug, um die Ausbildungs- und Beschaffungsvorgänge zu verbieten. Diese würden die Strafbarkeit des Bildens oder Unterstützens einer terroristischen Vereinigung an die Gefährlichkeit knüpfen, die von einer Gruppe mit mindestens drei Mitgliedern ausgeht. Die Struktur des Terrorismus habe sich im Vergleich zu den 70er Jahren aber verändert: Anders als bei der RAF handele es sich bei islamistischen Tätern oftmals um Personen, die ohne feste Einbindung in eine hierarchisch aufgebaute Gruppe agieren. Mit den neuen Paragraphen können nun auch ohne eine direkte Ausweitung von 129a und b, von der zunächst die Rede war, auch Einzeltäter im Vorfeld bestraft werden. Trotz der damit verbundenen Abgrenzungsprobleme geht Zypries davon aus, dass sich die neuen Vorkehrungen "streng an den rechtsstaatlichen Bestimmungsgrundsatz halten". Den Referentenentwurf muss sie zunächst aber mit ihren Kabinettskollegen abstimmen und dann der parlamentarischen Beratung zuführen.
Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:
Siehe dazu auch die Anmerkungen zur Online-Durchsuchung von BKA-Chef Jörg Ziercke und von Datenschützern auf der Datenschutz-Sommerakademie des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz:
- Mit Unikaten gegen Straftaten
- Hickhack um Online-Durchsuchung
- Schutz und Trutz vor der Online- Durchsuchung
Einen ausführlichen Einblick in die jüngsten Ausführungen des Bundesinnenministeriums zu den Plänen für Online-Razzien und in die Antworten Schäubles auf den Fragenkatalog des Bundesjustizminsteriums sowie der SPD-Fraktion zur Online-Durchsuchung bieten Meldungen im heise-Newsticker und ein Bericht in c't – Hintergrund:
- Innenministerium verrät neue Details zu Online-Durchsuchungen
- Innenministerium bezeichnet Entdeckungsrisiko fĂĽr Bundestrojaner als gering
- Heimliche Online-Durchsuchungen und der Schutz der Privatsphäre
- Bundesregierung sieht sich mit Online-Durchsuchungen nicht allein
- Netzpolitik hat mittlerweile die Antworten des Bundesinnenministeriums im Wortlaut online dokumentiert: Antworten auf den Fragenkatalog des Bundesjustizministeriums, Antworten auf die Fragen der SPD-Fraktion
(Stefan Krempl) / (jk)