Ärger im App Store: Apple spricht

Der bekannte Blogger John Gruber hat Apple vorgeworfen, selbst Wörterbücher in seinem Programm-Laden zu zensieren. Nun äußerte sich Marketingchef Phil Schiller höchst persönlich - ungewöhnlich für den schweigsamen Konzern.

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Der Vorfall schlug in US-Medien hohe Wellen: John Gruber, bekannter Apple-Experte, hatte in seinem Blog detailliert ausgeführt, wie der Computerkonzern in seinem iPhone App Store den Anbieter eines Wörterbuchs zur Zensur veranlasst hatte. "Böse" Begriffe wie "Ass", "Snatch", "Pussy" oder "Cock" habe die Firma Matchstick Software, Anbieter der auf dem freien Wörterbuch wiktionary aufsetzenden Anwendung Ninjawords, aus ihrer Software filtern müssen und trotzdem von Apple nur ein "ab 17"-Jugendschutzrating erhalten. "Selbst (die Supermarktkette, d. Red.) Walmart, berüchtigt für ihre Zensur 'anstößiger' Musik und Filme, schränkt Wörterbücher weder ein noch platziert Warnaufkleber auf ihnen. Walmart wirkt im Vergleich zu Apples App Store-Kontrollteam geradezu liberal", kritisiert Gruber.

Der Blog-Eintrag vom Dienstag rief nun wenige Tage später eine erstaunliche Reaktion hervor: Phil Schiller, weltweiter Marketingchef von Apple, schrieb dem Experten höchstpersönlich eine E-Mail, in der er das Vorgehen des Computerkonzerns verteidigte und betonte, Apple versuche auf die Entwickler zuzugehen. Das ist umso erstaunlicher, als dass das Unternehmen sonst äußerst schweigsam in Sachen App Store ist und sich Kritik bislang öffentlich nicht stellte – obwohl es davon jede Menge gab und gibt.

In seiner E-Mail an Gruber erklärte Schiller, Apple selbst habe Matchstick Software nicht dazu aufgefordert, "Ninjawords" zu zensieren. Es habe sich vielmehr um eine Eigenentscheidung des Unternehmens gehandelt, um schneller in den App Store zu gelangen. Tatsächlich erfolgte die Einreichung der Anwendung zu einem unglücklichen Zeitpunkt: Vor Einführung der iPhone-Firmware-Version 3.0, die umfangreiche "Parental Controls"-Funktionen zum Jugendschutz mitbrachte, war Apple bei Schimpfwörtern sogar noch restriktiver. Apple habe Matchstick Software vorgeschlagen, die Firmware 3.0 abzuwarten, erklärt Schiller. Das nicht zu tun und stattdessen zu filtern, habe das Unternehmen selbst entschieden.

Richtig stichhaltig ist Schillers Erklärung dann allerdings doch nicht. So geht er nicht auf die Inkonsistenzen ein, mit der Apples App Store-Kontrolleure bei der Zulassung vorgehen. Von Matchstick Software heißt es nämlich, man habe sich auch deshalb zur Selbstzensur genötigt gefühlt, weil man nicht als eines der wenigen Wörterbücher mit einem schülerunfreundlichen "ab 17"-Rating ausgestattet sein wollte. Tatsächlich finden sich im App Store diverse Beispiele, bei denen Apple milder vorging, wie Blogger Gruber ausführt. Dazu gehört etwa das "ab 4" zugelassene und sogar kostenlose "Dictionary.com" sowie das "ab 9" verfügbare "American Heritage Dictionary". Hier sind Begriffe wie "Shit", "Fuck" oder "Cunt" problemlos auch für den Nachwuchs nachzulesen.

Apple geht ansonsten erstaunlich restriktiv mit seiner Jugendschutzbewertung um. Enthält eine Anwendung beispielsweise die Möglichkeit, per eingebautem Browser auf das Internet zuzugreifen, erhält sie stets ein "ab 17"-Rating – schließlich könnte der Zugriff aufs Netz auch zu jugendgefährdenden Angeboten führen. Dem Absatz solcher eigentlich völlig harmlosen Anwendungen tut das nicht gut, sollten wachsame Eltern beim Herunterladen dabei sein – das Rating muss stets mit einem zusätzlichen Mausklick bestätigt werden. Erstaunlich daran ist auch, dass Apples iPhone selbst einen völlig unzensierten Browser, Safari nämlich, enthält – den kann man über die Jugendschutzeinstellungen des Handys zwar deaktivieren, doch standardmäßig ist er auch ohne "ab 17"-Notiz nutzbar.

In seiner E-Mail an Gruber äußerte sich Schiller außerdem nicht zu anderen aktuellen Unstimmigkeiten im App Store – so etwa zur viel beachteten Sperrung der Sprachanwendung Google Voice, die inzwischen auch von der US-Regulierungsbehörde FCC untersucht wird, weil davon eindeutig Apples amerikanischer Mobilfunkpartner AT&T zu profitieren scheint.

Weitere Schritte, entnervte Entwickler zu besänftigen, sind bei Apple aber trotzdem zu sehen: So hat der Computerkonzern gut lesbare Informationen zum aktuellen Stand des App-Begutachtungsprozesses auf sein iPhone Developer-Portal übernommen und bietet eine neue Notfall-E-Mail-Adresse an, die Entwickler verwenden können, wenn sie schnell Updates in den App Store hochladen müssen, etwa bei schweren Bugs, die viele Nutzer betreffen. (Ben Schwan) / (pmz)