c't 3003: Warum die Meta Quest 2 auf einmal ein Riesenerfolg ist

VR wurde dem Anfangs-Hype lange nicht gerecht, auf einmal ist es ein Riesenerfolg: Die Meta Quest 2 wurde schätzungsweise 10 Millionen mal verkauft.

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Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Jan-Keno Janssen
Inhaltsverzeichnis

c't 3003 hat die Meta Quest 2 sehr ausführlich getestet und zeigt, warum man dieses VR-Headset haben will – und was dagegen spricht. Außerdem: Die fünf besten Spiele.


Transkript des Videos:

In diesem Video sage ich euch, warum VR in manchen Bereichen mausetot ist und in anderen Bereichen dafür gerade megaerfolgreich wird. Und warum die Quest 2 zurzeit das einzige Headset ist, was ihr haben wollt. Und was dagegen spricht. Außerdem: Meine ganz persönlichen fünf Lieblings-Quest-2-Spiele.

Puh, ja, ich hänge jetzt sozusagen seit neun Jahren fast täglich in der Virtual Reality und hatte am Anfang ehrlich gesagt einen Riesen-Erfolg vorausgesehen. 2013 hatte ich die c’t-Redaktion sogar davon überzeugt, dass die Oculus Rift DRINGEND auf den Titel muss, weil ganz große Revolution. Tja, der Hype war zwar da, aber die Verkaufszahlen blieben lächerlich klein. Zwischenzeitlich war VR für Online-Journalisten sogar sogenanntes Klick-Gift: Wenn irgendwo VR draufstand, konnte man davon ausgehen, dass niemand draufklickt.

So blieb das nun auch mehrere Jahre, auch wenn die eingeschweißten VR-Freaks, mich eingeschlossen, natürlich dranblieben. Aber sogar ein ÜBER-SPIEL wie Half-Life: Alyx, bei dem wir VR-Leute alle dachten, DAS WIRD JETZT ALLES ÄNDERN; tja, das hat nicht mal ansatzweise dazu geführt, dass VR-Headsets irgendwie zum PC-Gaming-Standard wurden. Und auch wenn Half-Life: Alyx meines Erachtens das seit Breath of the Wild wohl insgesamt beste und technisch bahnbrechendste Spiel der letzten Jahre war; würde ich so weit gehen und sagen: VR am PC ist zurzeit tot, zumindest im Mainstream-Bereich. Allerdings hat VR hat sich eine Nische erobert bei Simulations-Freaks, also im Bereich Sim-Racing und Flugsimulation. Aber sonst halt nicht.

Tja, und jetzt bahnt sich aus einer ganz anderen Ecke doch noch der Riesen-Erfolg an: Das komplett autarke, also ohne PC oder Smartphone lauffähige VR-Headset Oculus, äh, Meta Quest 2 verkauft sich auf einmal wie geschnitten Brot. Laut Schätzungen von Qualcomm, die das System on a Chip der Quest 2 liefern, sind inzwischen 10 Millionen von dem Ding über den Ladentisch gegangen. Zum Vergleich mal so: Das PC-VR-Headset Valve Index wurde im Jahr 2019 Schätzungen zufolge nur 150.000-mal verkauft. Und was obendrein nochmal die Dimensionen des Quest-2-Erfolgs deutlich macht: 2021 wurden von dem VR-Headset mehr Exemplare verkauft als jegliche Xbox-Konsolen. Und das ist ja jetzt wohl wirklich krass.

Die Quest 2 ist wegen Stress mit dem Bundeskartellamt in Deutschland zurzeit nicht erhältlich. Aber ihr könnt das Teil einfach zum Beispiel bei Amazon Frankreich bestellen, für den normalen Preis von 350 Euro für die 128-GByte-Version. Ich habs selbst ausprobiert, das funktioniert problemlos. Man munkelt übrigens, dass im neuen Jahr der offizielle Verkauf in Deutschland wieder startet, aber das sind bislang Gerüchte.

Ich habe die Quest 2 seit der Veröffentlichung im Oktober 2020 hier im Einsatz und viele, viele Stunden damit verbracht. Hier jetzt meine Gründe, warum ihr das Ding haben wollt (und was dagegen spricht):

Die Oculus Quest 2 ist einfach so supersimpel im Handling, das ist einfach mega angenehm. PC-Headsets sind jetzt auch nicht so wahnsinnig kompliziert, aber man muss halt immer irgendwas anschließen, irgendwelche Software updaten und irgendwas aus dem Weg räumen in dem Raum, wo der PC steht, damit man sich einigermaßen frei bewegen kann. Die Quest 2 nimmt man einfach irgendwo hin, wo Platz ist, weil man ja halt keine Kabelverbindung braucht. Und das ist einfach ein Gamechanger. Man setzt das Ding auf, zack, feddich. Ich habe hier bei mir übrigens Sehstärke-Linsen von VR-Optiker drin, die kosten 65 Euro und machen das Leben für Brillenträger so viel einfacher -- auch wenn man theoretisch seine Brille darunter auflassen kann, aber ohne ist halt schon angenehmer.

Oculus, äh Facebook, äh Meta, schmeißt einfach so unfassbar viel Geld in das Ökosystem, dass da kein andere Hersteller ansatzweise mithalten kann. Es gibt noch andere autarke Headsets, zum Beispiel die Vive Focus 3, die ist in Sachen Hardware mindestens genauso gut. Aber das Quest-Ökosystem mit der ganzen Software, vieles davon Exklusivtitel -- das zieht einfach. Hier mal meine fünf aktuellen Lieblingsspiele:

Star Wars. Tales from the Galaxy's Edge: Ich bin jetzt nicht so der große Starwars-Fan, aber mit einer dieser coolen Pighpigh-Laserknarren durch schöne Weltraummärchenwelten latschen, das kriegt mich dann doch. Außerdem ist das auch einfach cool, wenn R2D2 vor einem steht und man sich zu ihm runterbeugt und ihn mit dem Schraubenschlüssel repariert. Das Spiel ist ansonsten ein ziemlich konventioneller Shooter, der grafisch natürlich nicht mit Half-Life: Alyx mithalten kann (weil er halt auf der Quest 2 läuft und nicht auf einem fetten Gaming-PC), aber ich hatte definitiv einige Stunden großen Spaß.

Superhot VR: Für mich der absolute VR-Dauerbrenner. Die coole, super minimalistische Gestaltung, dieses Feeling, dass die Zeit anhält, wenn man sich nicht bewegt und einfach Badass mit Wurfsternen sich so fühlen kann wie ein Superactionheld-Ninja, das ist einfach geil. Läuft übrigens auf der Quest 2 in geschmeidigen 120 Hz.

The Room VR: A Dark Matter: Das ist ein eher langsames Rätselspiel, was mich vor allem über die großartige Atmosphäre catcht. Man fühlt sich wirklich, als sei man irgendwie 1910 im viktorianischen Sherlock-Holmes-London; das ist wirklich richtig super, wenn auch ein bisschen gruselig.

Resident Evil 4 VR: Ja, ok, Stichwort gruselig, Resident-Evil-Spiele sind eh gruselig, aber in VR schocken die nochmal anders. Resi 4 ist zwar grafisch schon etwas angestaubt und sieht halt aus wie 2005 auf der Gamecube, aber die VR-Umsetzung ist deutlich besser gelungen als zum Beispiel das zwar schönere, aber in VR schlechter spielbare Resident Evil 7.

Pistol Whip: Es muss nicht immer Beat Saber sein, wenn man hektisch mit den Controllern rumfuchteln will! Bei Pistol Whip schwebt man durch futuristisch gestaltete Schießbudenkulissen, ja, und ballert im Takt der Musik mit zwei Pistolen rum.

Mir ist natürlich klar, dass im Moment so gut wie niemand Meetings in VR macht. Aaaaber: Wenn man das einmal ausprobiert hat, checkt man sofort, dass das Sinn ergibt. Ich persönlich finde Videomeetings über Zoom, Teams oder sonstwas wahnsinnig anstrengend, die ziehen mir einfach direkt die Energie aus dem Hirn – man muss zum Beispiel immer drauf achten, dass man im Bild ist, das man kein halbes Hörnchen im Bart kleben hat, dass im Hintergrund nix peinliches passiert. In VR fühle zumindest ich mich viel safer, weil ich nicht als Videobild zu sehen bin, sondern als Avatar. Da sehe ich auch respektabel aus, wenn ich Nusspli im Bart habe. Außerdem muss ich nicht wie angeklebt an dem Ort sitzen, wo mich die Kamera sieht, ich kann einfach rumlaufen. Das ist einfach so viel relaxter.

Apropos Rumlaufen: Videospiele assoziiert man ja mit faul auf der Couch rumasseln. Das geht in VR auch, aber viele Sachen kann man im Stehen mit vollem Körpereinsatz spielen. An so Tagen, wo das Wetter mist ist und ich aber denke, meh, ein bisschen Bewegung wäre schon cool: Dann setz ich mir das Ding auf und zersmashe ein paar Musikblöcke in Beat Saber. Das ist nicht nur ein super unterhaltsames Spiel, da kann auch schon der Schweiß fließen. Es gibt auch Quest-Titel, wie FitXR, die wie im Fitnessstudio Box, Tanz- und Intervall-Trainings anbieten. FitXR habe ich noch nicht ausführlich getestet, dafür im letzten Jahr sehr intensiv Supernatural VR, wo echte Fitnesstrainer täglich neue Kurse anbieten. Leider ist Supernatural wegen der Musikrechte inzwischen geogeblocked, so dass ich das nicht mehr verwenden kann ohne VPN. Aber: Meta hat Supernatural gerade gekauft, ich gehe davon aus, dass die bald die weltweiten Musikrechte klären. (Die US-Kartellbehörden prüfen gerade den Kauf.)

Ich habe zwar gerade gesagt, dass PC-VR tot ist, aber manchmal will man das ja vielleicht doch benutzen, zum Beispiel mit Half Life Alyx. Tja, und das geht sogar problemlos mit der Quest 2, entweder per USB-Kabel oder viel cooler kabellos über WLAN. Am Anfang klappte das nur mit Drittanbietersoftware wie Virtual Desktop, aber inzwischen ist die Funktion offiziell eingebaut und heißt „Air Link“. Ich habs getestet: Unter optimalen Voraussetzungen, also Wi-Fi 6-Router in der Nähe, 2-GHz-WLAN deaktiviert, würde ich so weit gehen zu sagen: Man sieht keinen Unterschied zur verkabelten Version. Aber wirklich nur unter optimalen Voraussetzungen. Hat man die nicht, kann man aber ja immer noch ein USB-Kabel verwenden.

So, und jetzt, was GEGEN die Quest 2 spricht: Ich sage das mal ganz diplomatisch: Von allen großen Silicon-Valley-Riesenkonzernen ist Facebook *slash* Meta mit Sicherheit der, der in den letzten Jahren am häufigsten durch problematische Praktiken aufgefallen ist. Der englische Wikipedia-Artikel über „Kritik an Facebook“ ist fast 200.000 Zeichen lang. Auch der wahrscheinliche Grund, warum Meta die Quest 2 nicht in Deutschland verkauft, hat mit einem dieser Kritikpunkte zu tun: Das Bundeskartellamt hat nämlich ein Missbrauchsverfahren eingeleitet, weil die Quest nur mit einem Facebook-Account nutzbar ist – das ist laut Kartellamt womöglich verbotener Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Aber auch aus Datenschutz-Gründen ist das fies: Es ist völlig unklar, ob Meta womöglich irgendwelche VR-Bewegungsmuster – wo kucke ich wann hin? – mit anderen Daten über mich verkoppelt und diese Datensammlung für gezielten Werbeverkauf anwendet. Und das ist definitiv problematisch; vor allem wenn ihr die gleichen Daten für Quest, Facebook, Instagram und Whatsapp verwendet. Aber: Vielleicht habt ihr euch ja bei dem für die Quest benötigten Facebook-Account bei eurem Namen ein bisschen vertippt? Sowas passiert ja schonmal: Und wenn dieser Account wirklich nur für VR verwendet wird und für nix anderes, fallen schonmal deutlich weniger Daten über euch an, die Facebook an Werbekunden verkaufen kann.

Insgesamt finde ich diese und andere Geschäftspraktiken von Meta sehr problematisch, und dennoch liebe ich die Quest 2. Wie seht ihr das? Ich freu mich über eure Kommentare – und sag Tschüß!


c't 3003 ist der YouTube-Channel von c't. Die Videos auf c’t 3003 sind eigenständige Inhalte und unabhängig von den Artikeln im c’t magazin. Redakteur Jan-Keno Janssen und die Video-Producer Johannes Börnsen und Şahin Erengil veröffentlichen jede Woche ein Video.

(jkj)