c't deckt auf: Dateien, IoT und Industrieanlagen ungeschützt im Netz

Seite 2: IPs sind nicht geheim

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Viele unfreiwillige Dienstanbieter sitzen einem gewaltigen Irrtum auf, der auch immer wieder in Foren und Blogs als gut gemeinter Ratschlag zu lesen ist: Solange man keine Domain einrichte, die per DNS auf die Adresse auflöst, sei eine IP-Adresse in den Weiten des Internets quasi geheim. Es gebe schließlich über 4 Milliarden Adressen, daher sei es unmöglich, einen veröffentlichten Dienst unter einer beliebigen Adresse zu erraten.

Diese Erzählungen gehören definitiv ins Reich der Mythen. Schon die vermeintlichen 4,2 Milliarden IP-Adressen existieren nur in der Theorie. Abziehen lassen sich zunächst alle Broadcast-Adressen sowie sämtliche reservierten Adressbereiche, zusammen rund 600 Millionen. Die verbliebenen rund 3,6 Milliarden IPv4-Adressen reichen keinesfalls aus, damit ein Dienst anonym bleiben kann.

Wer offene Ports im Internet finden will, muss nur systematisch danach suchen. Ein bewährtes Werkzeug unter Sicherheitsforschern ist die Suchmaschine shodan.io. Deren Betreiber haben Server mit Portscannern eingerichtet – ein solcher Portscanner probiert nacheinander die Ports an einer Adresse durch und protokolliert, auf welchen Ports er eine Antwort bekommen hat. Für die Suche im gesamten Internet muss das 3,6 Milliarden mal wiederholt werden.

Shodan geht dann noch einen Schritt weiter und stellt für zahlreiche Protokolle eine Verbindung her und speichert die Antworten in seiner Datenbank. Über eine Weboberfläche lassen sich gezielt nach Protokollen oder Antworten suchen. Einen ähnlichen Dienst gibt es bei censys.io. Ganz einfache Suchen sind kostenlos, kommerzielle Nutzung und Filter kosten Geld.

Für unseren Sicherheitsreport wollten wir uns aber nicht auf gefilterte und aufbereitete Datensätze von anderen verlassen. Solche Suchmaschinen bringen die Funde in eine eigene Reihenfolge und finden einige Adressen gar nicht. Stattdessen entschieden wir uns, selbst ein System zum systematischen Scannen des gesamten IPv4-Internets vorzubereiten. Dafür mussten wir das Rad nicht neu erfinden. Grundlage für unseren automatischen Scanner ist das Open-Source-Kommandozeilenwerkzeug ZMap. Das scannt das gesamte Internet und schreibt alle IP-Adressen mit einem offenen Port in eine Datei.

Bemerkenswert ist die Geschwindigkeit, die ZMap an den Tag legt: Ein Scan für einen Port über alle Adressen dauert nach Angaben der Entwickler nur 5 Minuten, wenn dafür eine 10-GBit/s-Leitung genutzt würde. Wir entschieden uns, die Scans auf angemieteter Hardware bei einem Hoster zu starten, und drosselten ZMap auf unter 25 MBit/s. So mussten wir teilweise einige Tage auf einen kompletten Scan des Internets warten.

c't magazin 23/2020

Dieser Artikel stammt aus c't 23/2020. Darin hat die Redaktion weltweit Datenlecks aufgespürt, sie stellt Apps & Gadgets gegen den Corona-Blues vor und hat aktuelle Android-Launcher getestet. Außerdem stieß die Redaktion auf einen fatalen Bug in neuen Geräten mit dem HDMI-Port Version 2.1. c't 23/2020 ist ab sofort im Heise-Shop und am gut sortierten Zeitschriftenkiosk erhältlich.