.com-Deal zwischen NSI und ICANN unter Zeitdruck

Neue Verträge mit der ICANN sichern NSI ein Quasi-Monopol auf .com-Domains - nun soll das US-Handelsministerium den Verträgen unter Zeitdruck zustimmen.

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Von
  • Monika Ermert

Nach weiteren geheimen Verhandlungen zwischen .com-Provider VeriSign/NSI und der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), erhielt am gestrigen Montag das Department of Commerce (DoC), das US-amerikanische Handelsministerium, die neuen ICANN-VeriSign-Verträge zur Unterschrift. Das DoC hat immer noch die Oberaufsicht über die ICANN inne und muss solchen Verträgen zustimmen.

Mit den neuen Verträgen erhält VeriSign das Recht, weiterhin als Datenbankbetreiber (Registry) und den Domainverkaufer (Registrar) für .com-Domains tätig zu sein. Für .net will man sich 2005 einer Ausschreibung stellen, lediglich .org will der Ex-Monoplist abgeben. "Um ihre alsbaldige Zustimmung zu diesen Verträgen werden Sie ersucht", schrieb nun ICANNs neuer CEO Stuart Lynn an die zuständige DoC-Beauftragte Karen Rose. Der schwarze Peter für die umstrittene Neuordnung im Domainmarkt liegt nun in Washington.

Die neuen Verträge würden, so wirbt Lynn in seinem Brief ans DoC, die Bündelung von .com, .net und .org in einem Registry-Abkommen auflösen, das Verhältnis zwischen ICANN und VeriSign – auch finanziell – normalisieren und "fast alle Spuren der Sonderbehandlung von VeriSign beseitigen". Dabei sollte die Betonung allerdings wohl auf "fast" liegen: Denn tatsächlich wird VeriSign kein "normaler" Registry-Provider werden. Der .com-Vertrag ist vielmehr schon mit Blick auf seine Dauer attraktiver als die Verträge für die kürzlich ausgewählten sieben neuen Top Level Domains. .biz und .info werden zunächst nur für fünf Jahre vergeben, VeriSign erhält ein verbrieftes Recht auf .com mindestens bis zum November 2007.

Eine weitere Verlängerung ist VeriSign ebenfalls fast sicher; und auch mit Blick auf ICANNs Möglichkeiten, vorzeitig aus dem Vertrag auszusteigen oder eine Top Level Domain neu auszuschreiben, hat sich VeriSign deutlich besser abgesichert als die Konkurrenz. Den Neulingen kann so jede Nichteinhaltung der Vertragsbedingungen oder die Vortäuschung falscher Tatsachen in ihrer Bewerbung zum Verhängnis werden. Im VeriSign-Vertrag sind keine derartigen Sanktionen festgehalten.

Im Gegenteil hat sich das Unternehmen sogar mit Blick auf Wettbewerbsverstöße abgesichert, die ihm bereits von mehreren amerikanischen und europäischen Konkurrenten vorgeworfen werden. Wenn VeriSign seinem eigenen Registrarunternehmen künftig durch sein Monopol beim .com-Datenbankbetrieb bessere Bedingungen einräumt, ist dies beispielsweise kein Grund für eine Kündigung des Vertrages. Vielmehr haben ICANN und VeriSign ein "Sanktionsprogramm" vorgelegt, nachdem VeriSign bei kleineren Verstößen bis zu 10.000 US-Dollar, bei größeren bis zu 100.000 US-Dollar bezahlen soll. Für das milliardenschwere Unternehmen dürften das kaum mehr als Peanuts sein. Gleichzeitig haben VeriSigns Verhandlungsführer aber durchgesetzt, dass das Sanktionsprogramm für sie nur dann Gültigkeit erhält, wenn es auch die noch in diesem Jahr in den Markt einsteigenden Registrybetreiber unterzeichnen. Wo es VeriSign vorteilhaft erscheint, soll also sehr wohl gleiches Recht für alle gelten.

Eine erste Kritik an technischen Details der VeriSign-Verträge äußerte inzwischen bereits der für Nordamerika von Nutzern gewählte ICANN-Direktor Karl Auerbach. So setze man für die Datensicherung veraltete, fehleranfällige Datenformate ein und nicht den auf XML basierenden Standard, den die IETF vorschlägt. "Das Hauptproblem ist aber nicht, dass wir ein schlechtes Sicherungs-Format bekommen oder dass das der Arbeit der IETF zuwiderläuft", so Auerbach gegenüber heise online, "sondern dass ICANNs Büro wieder und wieder wichtige Entscheidungen hinter verschlossenen Türen trifft, ohne dem Vorstand oder Öffentlichkeit daran zu beteiligen."

Auerbach hatte gerade im Blick auf das Verfahren zu den entschiedensten Gegnern der neuen VeriSign-Verträge gehört. Anders als es Stuart Lynn in seinem Schreiben ans DoC nun darstellt, gab es nämlich reichlich Opposition gegen den Deal. Empört ist Auerbach vor allem auch darüber, dass eine Vielzahl der nun mit VeriSign ausgehandelten Details weder den ICANN-Gremien noch dem Vorstand vorgelegt wurden: "Viele der Vertragszusätze waren noch ungeschrieben oder wurden dem Vorstand nicht zur Verfügung gestellt, als wir abstimmten." Erst im Nachhinein erfuhren also ICANNs Vorstandsmitglieder, wofür sie am 2. April mehrheitlich gestimmt haben.

Die Entscheidung aus Washington darf nun mit Spannung erwartet werden, haben sich doch im Vorfeld bereits einige US-Abgeordnete an das DoC gewandt. Sie fordern, dass die Konsequenzen der VeriSign-Verträge mit Blick auf die Entwicklung des Wettbewerbs genau überprüft werden müssen. Mehr Wettbewerb war das Motiv der 1999 zwischen DoC, ICANN und NSI geschlossenen ursprünglichen Verträge, nach denen VeriSign bis zum 10. Mai entweder Registrar oder Registry hätte abgeben müssen. ICANNs Juristen und VeriSign setzen dabei weiter auf Zeitdruck: Schnell soll auch das DoC nun entscheiden, da die Verträge zum 3. Mai in Kraft treten sollen. Ob das DoC sich zu einer Blitzentscheidung zwingen lässt, bleibt abzuwarten. (Monika Ermert) / (jk)