dmexco: Wenig Liebe für Googles Adfilter

Ab 2018 will Google in Chrome zumindest die störendsten Werbungen ausfiltern. Auf der Fachmesse für Online-Werbung in Köln stieß die Initiative auf Skepsis und allenfalls verhaltene Zustimmung.

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dmexco: Wenig Liebe für Googles Adfilter

Google-Manager Thomas Fischer (Mitte) versuchte die Zweifel der anderen Marktteilnehmer zu zerstreuen.

(Bild: heise online/Torsten Kleinz)

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  • Torsten Kleinz
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Werbemüdigkeit bei den Endnutzer auf der eine Seite, das Misstrauen der zahlenden Werbekunden auf der anderen Seite -- dass die Online-Werbebranche sich grundlegend ändern müsse, wurde auf der Leitmesse dmexco in vielen Diskussionen betont. Dass dabei jedoch nicht alle Seiten ganz an einem Strang ziehen, zeigte die Debatte um Googles Pläne, den Werbemarkt mit Hilfe einer breiten Koalition von Marktteilnehmern zu einer Notbremsung zu veranlassen.

Insbesondere Thomas Duhr, Vizepräsident des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) äußerte Zweifel an der derzeitigen Strategie. Obwohl der Verband selbst eins der Gründungsmitglieder der Coalition for Better Ads ist, zeigte sich Duhr unzufrieden mit der aktuellen Ausrichtung. So bezweifelt er das Grundkonzept des von Google geplanten Werbeblockers. "Wir beschränken uns heute noch sehr auf die Formate", sagte Duhr in Köln, "Es gibt aber zahlreiche Parameter." Deshalb plädierte Duhr dafür, keinen festen Standard mit harten Grenzen zu etablieren, sondern stattdessen auf brancheninterne Aufklärungskampagnen zu setzen.

Das Credo des BVDW ist, dass die Auswüchse der Werbebranche in Deutschland bei weitem nicht so problematisch seien wie in anderen Ländern und daher harte Maßnahmen weniger gerechtfertigt sind. So plädierte Duhr auch für eine bessere regionale Anpassung der Standards und zudem eine höhere Durchlässigkeit.

Dass alleine gutes Zureden einen Kurswechsel bewirken kann, glauben andere Marktteilnehmer nicht. "Wir brauchen einen gewisse Selbstdisziplinierung", räumte Arne Kirchem ein, der als Vorstandsmitglied der Werbungtreibenden im Markenverband (OWM) aktiv ist. "Es kann nicht im Sinn irgendeines Werbetreibenden sein, dass digitale Werbung komplett an Akzeptanz verliert", sagte Kirchem, der für die Online-Werbung beim Konzern Unilever verantwortlich ist.

Allerdings bezieht die mächtige Industrieallianz in diesem Punkt keine eigene Stellung. So fehlt in dem zur dmexco traditionell vorgebrachten Forderungen jede Erwähnung eines für Nutzer akzeptableren Werbeumfelds. Stattdessen bestehen die Auftraggeber der Werbebranche darauf, dass die Sichtbarkeit von Werbung noch mehr als bisher als Abrechnungsgrundlage dient, sie fordern lediglich ein für Marken sicheres Werbeumfeld. Mehrere dieser Forderungen stehen in direktem Gegensatz zu den Bemühungen der Coalition for Better Ads. So sorgt gerade die Optimierung der "Viewability" von Werbung für Websites, in denen redaktionelle Inhalte deutlich hinter den prominent platzierten Werbebannern zurücktreten. Zudem beklagen sich Webseiten-Betreiber und Vermarkter darüber, dass Werbetreibende sich zwar nach außen den Forderungen nach mehr Qualität anschließen, die notwendigen Beschränkungen in der Praxis aber oft selbst ignorierten.

Google-Manager Thomas Schreiber versuchte die Befürchtungen der anderen Marktteilnehmer zu zerstreuen. "Es sind weniger als ein Prozent der Websites, die derartige Werbeformate haben, dass der Nutzer genötigt wird, einen Werbeblocker zu installieren – da muss man ansetzen". Auch Google setze vorrangig auf Transparenz als auf Zwang. So habe sein Unternehmen auf die ersten blauen Briefe wegen nach dem neuen Standard unzulässiger Werbeformen positive Rückmeldungen bekommen.

In der Sache zeigt sich Google zudem noch kompromissbereit. So seien die Pop- Ups, die Website-Betreiber selbst einsetzen, um zum Beispiel für Newsletter zu werben, nicht Teil der Werbedefinition der Coalition for Better Ads, erklärte Schreiber im Gespräch mit heise online. Demnach wären die Betreiber zumindest im ersten Durchgang relativ frei, ihre Formate der Eigenwerbung zu überarbeiten.

Allein gegen alle?

(Bild: heise online/Torsten Kleinz)

Im Übrigen seien die Pläne für den Adfilter, der voraussichtlich 2018 starten soll, noch nicht festgeklopft und könnten noch in vieler Hinsicht angepasst werden. Erste Anbieter hätten ihre Angebote aufgrund der Warnungen angepasst, erklärte Schreiber. Teilweise hätten die Betreiber nicht gewusst, welche Werbung auf ihren Websites erschien, teilweise sei aber noch Überzeugungsarbeit notwendig. Zudem hatte Google in seinen Plänen zum Adfilter einen Puffer eingebaut: Nur wer mehrere störende Werbeformate auf Dauer online lässt, soll auf eine schwarze Liste kommen, auf der jede Werbung geblockt wird.

Für Google ist nun der Fall eingetreten, den der Konzern eigentlich vermeiden wollte: Weder die in dem Zweckbündnis organisierten Verbände, noch andere teilnehmende Branchenschwergewichte wie Facebook oder das Neumitglied Axel Springer geben dem Konzern öffentlich Rückendeckung dafür, Strafmaßnahmen gegen Werbefirmen und Publisher durchzusetzen. Diese Rückendeckung ist jedoch notwendig, wenn der größte Werbekonzern der Welt neue Marktregeln etablieren will, an die sich sowohl Kooperationspartner als auch die Konkurrenz halten. (mho)