heise online scherzt nicht mehr zum April, April

Aprilscherze waren schon immer zweifelhaft, doch nun sind sie zu bedenklich geworden, meint heise online. Es gibt auch einen politischen Hintergrund.

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Die Aussage sticht englisch ins Auge, oben und unten die anderen EU-Amtssprachen.

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Im Newsticker von heise online wird es keine scherzhaft gemeinten Meldungen zum Aprilanfang mehr geben. Die Redaktion reagiert damit auf einen Entwurf einer "Verordnung fĂĽr technische Regulierungsstandards zur Festlegung und Kennzeichnung des Wahrheitsgehalts von ĂĽber das Internet distribuierten redaktionellen nachrichtlichen Inhalten" der Generaldirektion Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien der EU-Kommission, der heise online ĂĽber den Heise-Tippgeber zugespielt wurde.

Die in der Generaldirektion intern "Fake-Stopp" genannte Verordnung sieht unter anderem vor, dass ein "nachrichtlicher Inhalt, dessen Kern oder Anlass sich auf eine Begebenheit, eine Äußerung oder ein Ereignis bezieht oder bezogen hat, die oder das auf einem überwiegend zumindest zweifelhaften Wahrheitsgehalt beruht, der nicht ohne weiteres verifizierbar oder falszifizierbar ist, als solche gut wahrnehmbar unmissverständlich in allen Amtssprachen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten" gekennzeichnet werden muss. Die Vorschrift soll für sämtliche solcher Inhalte gelten, die in der EU abrufbar sind, also auch für welche aus Drittstaaten. Unklar ist, wie das umgesetzt werden soll, also ob zum Beispiel Fake-Filter für Meldungen aus den USA eingesetzt werden könnten.

Aus Gründen einer ebenfalls geplanten Dokumentationspflicht dürften die inkriminierten Beiträge aber nicht gelöscht werden, geht weiter aus dem Entwurf hervor. In Bezug zum "Recht auf Vergessenwerden", das schon vor fast sieben Jahren auf europäischer Ebene, nämlich vor dem EuGH thematisiert wurde, könnte es zumindest hier zu juristischen Kollisionen kommen.

22 Jahre Aprilscherze auf heise online (22 Bilder)

2020 hat eine US-Firma einen autonomen Laubbläser vorgestellt, der herbstliche Gehwege reinigen soll – mit Range Extender.

Der weitgehend geschwärzte Verordnungsentwurf , der heise online vorliegt, sieht eine Grafik vor, die das Wort "Fake" in Versalien enthält, mit der die betreffenden Online-Beiträge gekennzeichnet werden sollen. Ob diese letztlich in dieser Form angenommen wird, steht zur Frage. Vertreter der spanischen Regierung in der Generaldirektion haben Bedenken angemeldet, heißt es aus gut unterrichteten Kreisen; mit einem früheren Entwurf seien die Österreicher nicht zufrieden gewesen. Vertreter anderer Länder waren mit der Übersetzung des Begriffs "Fake" in ihre Sprachen nicht einverstanden.

"Fake-Stopp" sieht vor, dass ein Anbieter redaktioneller nachrichtlicher Inhalte innerhalb von 24 Stunden reagieren muss, falls sich eine Privatperson oder eine Organisation arg verschaukelt fühlt und dies dem Anbieter meldet. Allerdings soll Anbietern eine Übergangszeit von einem halben Jahr eingeräumt werden, damit sie ihr Archiv überarbeiten können.

"Die Verordnung soll nämlich rückwirkend für alle Artikel gelten, auf die Nutzer und Nutzerinnen über ein Archivregister oder eine Suchfunktion zugreifen können", erläutert Dr. Volker Zota, Chefredakteur von heise online. "Sie soll auch nicht nur für absichtlich irreführende Meldungen wie am 1. April gelten, sondern auch für Nachrichteninhalte an jedem Tag." Jürgen Kuri, stellvertretender Chefredakteur von heise online, ergänzt: "Wir sind sicher, immer wahrheitsgemäß berichtet zu haben. Wenn es ein Dementi oder Korrekturen gab, wurde die jeweilige Meldung umgehend aktualisiert."

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Es ergebe sich aber beispielsweise das Problem, dass Aprilscherze von der Realität eingeholt werden können und ob dann eine Markierung wieder entfernt werden müsste. Auch könne es passieren, dass sich eine vermeintlich seriöse Pressemitteilung abseits des Aprilanfangs nach längerer Zeit als windiges Versprechen erweist. "Oder was ist mit den vielen Meldungen, in denen von einer strikten Osterruhe die Rede ist, die dann zurückgenommen wurde? All das kann niemand auf Dauer im Blick haben", kritisiert Kuri.

Die Formulierung "überwiegend zumindest zweifelhafter Wahrheitsgehalt" liege womöglich – zum Beispiel hier in dieser Meldung wegen der unklaren Quellenlage – ganz im Auge des Betrachters, der zum Beispiel ein Abmahnanwalt sein, und der Betrachterin, die letztlich Justizia heißen könnte. "Und die wird zumeist als sehbehindert dargestellt", merkt Kuri weiter an. Möglicherweise verhebe sich die EU auch, wenn sie gleich mit einer Verordnung komme, denn die sei ein verbindlicher Rechtsakt, den jedes EU-Mitgliedsland voll umsetzen müsse; im Gegensatz zur Richtlinie, die lediglich ein Ziel vorgebe, das alle Länder auf ihre Weise erreichen könnten.

"Na jedenfalls wird künftig jeder Aprilscherz witzlos, falls dieser Entwurf die europäischen Gremien passiert", kommentiert Zota. Die Kennzeichnung würde solche Artikel sofort als erfunden kenntlich machen. Kuri sieht den Schritt, künftig keine Aprilscherze mehr zu bringen, als eine Art Weckruf. Damit sollen die Branche und die Leser und Leserinnen aufgerüttelt werden, denn: "Es ist zwar noch nicht einmal klar, ob die irrsinnig anmutende Verordnung durchgeht, nach bisherigen Erfahrungen müssen wir aber mit allem rechnen", meint Kuri.

Darüber hinaus haben Zota, Kuri und ihr Team nicht erst anlässlich der Pläne der EU-Kommission generell über den Sinn von Aprilscherzen nachgedacht. Es komme immer wieder vor, dass Leser alte Nachrichten von einem früheren 1. April finden und nicht wissen, ob sie sie für bare Münze halten sollen. Oft genug ist es passiert, dass ein Aprilscherz versehentlich oder auch absichtlich zu früh ins Netz geriet und für Verwirrung sorgte. Diesen Umstand nutzen gewiefte PR-Agenturen aus und setzen "versehentlich" Unfug in die Welt, der dann doch irgendwie in den Köpfen hängen bleibt.

Das setzt Kuri in einen größeren Zusammenhang: "Wir werden bereits seit längerer Zeit von überall aus dem Internet immer mehr von Fake News überschwemmt, auch wie im Falle Trump von höchsten staatlichen Stellen. Das ist ja auch der Hintergrund für diese Verordnung. Das Spiel mit "verfrühten", aber auch normalen Aprilscherzen hat so zumindest ein Geschmäckle. Es wird auch immer schwieriger, ein geeignetes Thema zu finden, das nicht im Fake-Meer untergeht und das Leserinnen und Leser zuerst auf den Arm nimmt, ihnen aber dann nach kurzem Nachdenken einen Aha-Moment beschert." Im optimalen Fall mit einem Schmunzeln, wie Kuri mit einem solchen hinzufügt.

(anw)