jugendschutz.net veröffentlicht Jahresbericht

Die von den Bundesländern gestützte private Organisation will Kinder und Jugendliche unter anderem vor Gewalt, Rassismus, Pornographie und Missbrauch im Netz schützen, sich aber künftig auch mehr um "Entwicklungsbeeinträchtigungen" kümmen.

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Von
  • Monika Ermert

2.625 Verstöße gegen die Jugendschutzgesetze im Internet listet jugendschutz.net in seinem heute veröffentlichten Jahresbericht (PDF-Datei) für das Jahr 2006. Rund 1.400 davon kommen aus den USA, berichtet die von den Bundesländern gestützten private Organisation, die den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Netz verbessern soll. Geprüft hat man in Mainz insgesamt 5.427 Webseiten und sich neben den klassischen Jugendschutzthemen Pornographie, Rassismus und Gewalt vor allem um Suizidforen und die Glorifizierung von Magersucht, so genannten Pro-Ana-Seiten, beschäftigt. Bei Letzteren beanstandete man ein Drittel der gesichteten 180 Seiten, bei den Suizidforen dagegen nur vier von 52. Beim Rechtsextremismus widmete man sich Nazi-Kameradschaftsseiten und Musik- und Videolockangeboten bei der NPD. Seit 2003 hat man im Übrigen ingesamt 750 so genannte Posenfotos beanstandet.

Mehr und mehr könne man sich nach den ersten Jahren, in denen man sich um absolut unzulässige Inhalte gekümmert hat, Problemen wie der Entwicklungsbeeinträchtigung zuwenden, meint man bei der Organisation. Ein Teil der Arbeit bei jugendschutz.net besteht auch in Empfehlungen für gute Angebote. Das vor Kurzem angekündigte Netz für Kinder sei besonders hervorzuheben, sagte Friedemann Schindler, Leiter von jugendschutz.net im Gespräch mit heise online.

Die Posenfotos gehörten zum Neuland im Jugendmedienschutz, denn es gilt zu begründen, wann ein Kind oder Jugendlicher in "unnatürlich geschlechtsbetonter Haltung" (so die Definition für zu beanstandende Posenfotos) abgebildet ist. Inzwischen, sagt Schindler, seien Posenfotos nur noch in Ausnahmefällen im deutschen Netz zu finden. Die Notwendigkeit von geschlossenen Benutzergruppen und Altersverifizierung sei ebenfalls nach drei Jahren Jugendmedienschutzstaatsvertrag anerkannt. Auch mit dem freiwilligen Kodex der Suchmaschinenbetreiber, die sich zur Ausfilterung von der Bundesprüfstelle indizierter Webseiten aus ihren Ergebnislistenverpflichtet haben, sieht man einen Erfolg durch die größere Sensibilisierung.

Eine Erfolgsbilanz dürfte auch mit Blick auf die aktuell laufende Evaluierung des Jugendmedienschutzstaatsvertrags durchaus das Gebot der Stunde sein. Die gegenwärtig gültigen Bestimmungen des Jugendmedienschutzrechts sind mit den Bestimmungen im Jugendschutzgesetz (JuSCHG) und im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) 2003 eingeführt worden. Das Hamburger Hans-Bredow-Institut für Medienforschung analysiert den Gesetzesrahmen momentan. Forciert von der Debatte über ein Verbot von Killerspielen rechnet das Bundesfamilienministerium mit ersten Ergebnissen bereits im Juli.

Die Effektivität des komplizierten deutschen Jugendmedienschutzsystems, das Befürworter als Vorreiter bei der so genannten regulierten Selbstregulierung oder auch Koreglierung sehen, wurde von Experten teilweise skeptisch beurteilt. Es gibt nur spärliche Zahlen zu tatsächlich abgeschlossenen Gerichtsverfahren gegen Anbieter im Netz. Juristen warnen teilweise auch vor der Vermischung von Bund-Länder-Kompetenzen. Eine Besonderheit ist auch die Tatsache, dass jugendschutz.net als privates Unternehmen per Jugendmedienstaatsvertrag praktische Gesetzesrang hat.

Im Gespräch mit heise online ziehen jugendschutz.net-Leiter Friedemann Schindler, der Justiziar Thomas Günter und Vizechef Stefan Glaser Bilanz:

(Monika Ermert) / (jk)