Ökonom: Asien überholt den Westen im Patentwettlauf
Der schwedische Wirtschaftsprofessor Ove Granstrand sieht just die Patentierungstätigkeiten in China, Korea und Indien als die größte Herausforderung für das System "geistigen Eigentums", nicht die "Piraterie".
Die Vorzeichen um den Schutz von Rechten an immateriellen Gütern im asiatischen Raum befinden sich im vollständigen Wandel. Dies erklärte Ove Granstrand, Professor für Industriemanagement und Wirtschaftswissenschaft an der Chalmers University of Technology in Göteborg am gestrigen Dienstag auf dem European Patent Forum in Prag. Nicht die häufig mit Asien in Verbindung gebrachte Marken- und Produktpiraterie sei die Bedrohung, meint der Ökonom. Die "echte Gefahr" für den Westen seien vielmehr die Firmen in China, Korea oder Indien, "die sehr eifrig Patente sammeln und Strategien rund um den gewerblichen Rechtsschutz ausarbeiten".
Im Gegensatz zu gängigen Klischees steht der Patentschutz laut Granstrand im asiatischen Raum nicht nur bei Unternehmen, sondern auch bei der Politik "ganz oben auf der Agenda". Der Schwede zitierte den chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao mit der Ansage, dass "der künftige Konkurrenzkampf ein Wettlauf um geistige Eigentumsrechte" sei. Bezeichnenderweise erhielt den Preis für die "Europäischen Erfinder des Jahres", den das Europäische Patentamt (EPA) und die EU-Kommission am Dienstagabend in einem Festakt auf der Prager Burg vergaben, in der Kategorie "außereuropäische Staaten" der Chinese Yiqing Zhou für sein auf einem Kräuterwirkstoff beruhendes, bei Novartis entwickeltes Medikament zur Bekämpfung der Malaria.
Gleichzeitig hat sich das Patentwesen westlicher Prägung längst generell als "zweischneidiges Schwert" herauskristallisiert, das zunächst stärker auf eine tragfähige ökonomische Basis gestellt werden müsse, führte der Schwede weiter aus. Die Situation sei in den Wirtschaftswissenschaften letztlich die gleiche "wie vor 50 Jahren", wonach niemand die Effizienz des von zahlreichen großen und kleinen Herausforderungen geprägten Patentsystems belegen könne.
Während so die "weltweite Bewegung" für gewerbliche Schutzrechte gerade aus Asien neue Impulse erhalte, wächst Granstrand zufolge in Europa, den USA und Entwicklungsländern auf der Südhalbkugel die Kritik am Patentsystem. Beklagt würden Schwachstellen bei den Vergabekriterien wie eine mangelnde Erfindungshöhe. Dieser rechtliche Begriff verkleide ein Versagen der eigentlichen ökonomischen Ziele des Systems, insbesondere der Innovationsförderung. Zudem würden sich die Vertreter langer Technologiezyklen etwa in der Pharma-Industrie mit denen schnelllebigerer Wirtschaftsbereiche wie der Computerindustrie bei Fragen der Patentreform in die Haare bekommen.
Grundsätzlich ins Schlittern bringen könnte das Patentsystem nach Ansicht des Forschers weniger die gegenwärtige Wirtschaftskrise, auch wenn diese im Westen zu einem Rückgang der Anmeldungen führen dürfte. Stattdessen malte der Professor ein Szenario auf, in dem Menschenrechtsvereinigungen massiv gegen Patente im Bereich der Biotechnologie vorgehen und so das Wesen gewerblicher Schutzrechte unterwandern. Im Sektor der IT-Industrie plädierte Granstrand dafür, "weniger Softwarepatente zu erteilen". Hier könnten Ansprüche ohne große finanzielle Risiken und kostspielige Forschung angemeldet werden, was die "Transaktionskosten" für den gesamten Wirtschaftszweig etwa durch Rechtsstreitigkeiten in die Höhe treibe.
Siehe dazu auch:
- Patente als wachsender Hemmschuh bei der Entwicklung von Standards
- EU-Ratspräsident: EU-Gemeinschaftspatent braucht noch viel Zeit
- WIPO-Chef: Das System geistigen Eigentums ist massiv unter Druck
(Stefan Krempl) / (jk)