Österreichs Regierung erwartet keine Angriffe auf E-Voting-Verfahren bei ÖH-Wahlen

Bei den Wahlen zur Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) in diesem Monat wird zusätzlich zur herkömmlichen Papierwahl erstmals auch die Stimmabgabe über das Internet möglich sein.

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"Generell werden keine Angriffe erwartet, da Personen, die versuchen, das System zu kompromittieren, rechtlich belangt werden können", meint der österreichische Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) zum Thema E-Voting. Dies geht aus seiner Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Grünen hervor. Hahn hat durchgesetzt, dass bei den in diesem Monat stattfindenden Wahlen der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) zusätzlich zur herkömmlichen Papierwahl auch die Stimmabgabe über das Internet möglich ist.

Dieses E-Voting-Projekt ist heftig umstritten. Die ÖH-Bundesvertretung hat es einstimmig abgelehnt, auch die Oppositionsparteien FPÖ, Grüne und BZÖ im Parlament sind dagegen. Zudem äußerte sich der Datenschutzrat kritisch. In Meinungsumfragen hat sich eine Mehrheit der Österreicher dagegen ausgesprochen, drei Viertel befürchten Datenmissbrauch. Sowohl die Grünen-nahe Studentenfraktion GRAS als auch der Ring Freiheitlicher Studenten werden die Wahl anfechten. Vertreter der ÖVP setzen sich hingegen für E-Voting ein, weil sie dadurch einen "Demokratieschub" erwarten. "E-Voting ist eine sinnvolle Ergänzung der Möglichkeiten der Stimmabgabe außerhalb des Wahllokals und soll bei Überlegungen zu etwaigen Wahlreformen jedenfalls berücksichtigt werden", so Hahn. In der SPÖ gibt es zwar Kritiker, diese haben im Parlament aber jüngst mit dem Koalitionspartner ÖVP für das E-Voting bei den ÖH-Wahlen gestimmt.

Die Grüne Nationalratsabgeordnete Daniela Musiol begehrte von Hahn in einer Anfrage nun verschiedentlich Auskunft, so auch zum Schutz vor Hackern. Hahn führt dazu aus, dass gar keine Angriffe erwartet würden. Weiter heißt es: "Basierend auf Risikoanalysen und Best Practicen wurde ein entsprechendes Sicherheitskonzept entworfen, welches den klassischen 'Information Security Life Circle' ('Detection – Incident Response – Countermeasures') entspricht, wobei Countermeasures gegebenenfalls die Unterbrechung oder den Abbruch der Wahl (...) bedeutet."

Die Frage nach den Kosten des E-Voting-Projektes konnte der Minister nicht beantworten: "Da es sich um ein neues technisch-wissenschaftliches Projekt handelt, welches sich laufend fortentwickelt, ist eine genaue Kostenabschätzung derzeit leider noch nicht möglich." Es gäbe auch keine Vergleichszahlen von den letzten, ausschließlich mit Stimmzetteln durchgeführten ÖH-Wahlen.

Die Stimmabgabe kann über das Internet von zu Hause aus oder von an den Universitäten bereitgestellten Computern erfolgen. Die Kosten für diese Rechner sind dem Minister nicht bekannt und müssen von den Universitäten getragen werden. Zur elektronischen Stimmabgabe erforderlich ist jedenfalls eine Bürgerkarte, deren Verbreitung das Wissenschaftsministerium durch eine Werbekampagne und die kostenlose Ausgabe von Lesegeräten an Studenten zu erhöhen suchte. Dafür wurden laut der Anfragebeantwortung in Summe über 242.000 Euro ausgegeben.

Anlass für Kritik ist auch die freihändige Vergabe des Auftrages für die E-Voting-Abwicklung, nachdem eine Ausschreibung zurückgezogen werden musste. Die Software stammt von der spanischen Firma Scytl. Der Quellcode umfasst 183.000 Zeilen, ist aber geheim. Kommenden Freitag werden Mitglieder der Wahlkommissionen Gelegenheit haben, Einsicht in den Quellcode zu nehmen, wenn sie sich zur Verschwiegenheit verpflichten (NDA). Selbst ein Programmierexperte, der pro Sekunde eine Zeile Code analysieren könnte, müsste dafür am Freitag mehr als 50 Stunden aufwenden, um den gesamten Code zu lesen. Medienvertreter dürfen von dieser Einsichtnahme auch dann nicht berichten, wenn sie den Code selbst nicht sehen möchten.

In Finnland hatten mit Scytl-Software versehene Wahlcomputer zu erheblichen Problemen geführt, die eine Neuwahl erforderlich machten. Das finnische E-Voting-System sei aber nicht mit dem österreichischen vergleichbar, versucht Hahn Bedenken zu zerstreuen.

(Der Autor ist freier Journalist und berichtet für heise online über alle Themen aus Telekommunikation, IT und dem gesellschaftlichen Umfeld in Österreich. Daniel AJ Sokolov ist parallel dazu auch Mitglied der österreichischen Grünen und Vorsitzender der Bezirksvertretung Wien-Josefstadt.)

(Daniel AJ Sokolov) / (pmz)