re:publica: Snowden als neuer Weltbürger über den Gesetzen

Der französische Philosoph Geoffroy de Lagasnerie hielt auf der Berliner re:publica einen Vortrag, in dem er Edward Snowden, Julian Assange und Chelsea Manning als Subjekte eines neuen Widerstandes feierte.

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Geoffroy de Lagasnerie

Geoffroy de Lagasnerie

(Bild: heise online / Detlef Borchers)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Zu ihrer zehnten Zusammenkunft hat die re:publica in Berlin ihre erste Heiligsprechung erlebt. Edward Snowden, Julian Assange und Chelsea Manning sind für den französischen Philosophen Geoffroy de Lagasnerie die ersten "Refugees", die sich über staatliche Gesetze stellen und als Weltbürger und Repräsentaten des Internet die staatliche Verfasstheit und die staatsgebundene Rolle des Individuums in Frage stellen. "Sie sind nicht nur Whistleblower, sie sind exemplarische Gestalten einer neuen Politik, einer neuen Art des Widerstandes", meinte de Lagasnerie.

Für de Lagasnerie reicht es nicht aus, Snowdens, Assanges und Mannings Taten als "zivilen Ungehorsam" zu bezeichnen. Mit solchen Kategorien seien die drei damit in ideologischen Kategorien beschrieben, die zu den demokratischen Kämpfen des 19. und 20. Jahrhunderts gehören und die nicht mehr zeitgemäß seien. Besonders die Praxis der Flucht, mit der Assange und Snowden als neue "Internet-Refugees" die klassische Praxis des Whistleblowing in eine überstaatliche Tat umsetzten, müsste mit neuen Begriffen gefasst werden.

"Die Entscheidung zur Flucht und die damit verbundenen Akte der Suche nach einem Asyl sind sehr bedeutsam und verändern unsere Konzeption einer Ethik der Zugehörigkeit und Territorialität." Allein die Tatsache, dass Edward Snowden in 21 verschiedenen Ländern versucht habe, Asyl zu erhalten, zeige an, dass er sich als neuer Weltbürger verstehe, auch wenn er sich selbst als klassischer Whistleblower inszeniere.

Snowden wie Assange zeigten mit ihrer Flucht, dass sie sich nicht als Bürger eines Staates verstehen, sondern dass sie sich vielmehr über die Gesetze der Staaten stellen wollen, die Individuen als Staatsbürger-Untertanen behandeln. Mit dem Akt der Asylsuche signalisierten sie, dass sie sich keinen Gesetzen nationaler Gemeinschaften unterwerfen wollen. Diese De-Subjektivierung ist nach de Lagasnerie eine Form neuer radikaler Politik, die das Bewusstsein eines Staatsbürgers, einer bestimmten Gemeinschaft generell in Frage stellt.

"Ich glaube, dass diese De-Nationalisierung des Geistes ohne das Internet nicht möglich ist. Es ist sicher kein Zufall, dass Snowden selbst sein Verhältnis zum Internet als 'Gedankenexperiment' bezeichnete, durch das er eine 'neue Beziehung zur Welt' bekam. Das Internet eröffnet uns neue Perspektiven, wie wir uns in der Welt einschreiben." Snowden, Assange und Manning hätten mit ihren Aktionen die radikale Frage gestellt, wie man jenseits der Staatsbürgerschaft für eine Demokratie eintrete, ohne für einen bestimmten Staat zu sein. (anw)