re:publica, die Internetmesse

Die re:publica ist zu Ende. Was vor sechs Jahren als kleine Konferenz von Bloggern begann, ist zur Großveranstaltung geworden. Viele Vortragende nahmen sie als ultimative Veranstaltung zur Kontaktpflege und Selbstvermarktung wahr, eine richtige Messe.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Rund 5000 Teilnehmer mit 6800 Geräten im WLAN, 465 Referenten auf 7 Bühnen: Was vor sechs Jahren als kleine Konferenz von Bloggern begann, die sich über die Monetarisierung ihrer Blogs austauschten, ist eine Großveranstaltung geworden. Dass bei diesen Zahlen viele Kommentatoren über eine Krise schreiben, erstaunt die Digital Natives, die sich in Berlin getroffen haben.

Zum Schluss war die Heiterkeit groß, als vor dem rituellen Karaoke-Gröhl von Bohemian Rhapsody Kommentare zur re:publica vorgelesen wurden: Im ARD-Morgenmagazin wurde das Treffen als "Internetmesse" vorgestellt. Man hätte auch von einem Treffen der Apple- oder Facebook-Fans sprechen können. Rund 80 Prozent der im WLAN eingeschalteten Geräte waren MacBooks, iPads und iPhones, mit ebenso deutlichem Abstand dominierte Facebook die DNS-Abfragen, gefolgt von Apple, Google und Twitter. Dass die re:publica kein Hackertreffen war, zeigt eine andere Zahl, noch vor der großen Abschlussparty aufgeschrieben: 13.000 ausgetrunkene Bierflaschen standen 5500 Mateflaschen gegenüber.

Musik: Queen. Text: Die Internetgemeinde: Bohemian Rhapsody aus knapp 500 Kehlen muss nicht schön klingen. Spaß gemacht hat es trotzdem.

(Bild: Detlef Borchers)

Allen Rekorden zum Trotz wurde die re:publica recht kritisch gesehen. Die täglich kostenlos ausliegende tageszeitung berichtete von einem Nachwuchsproblem, das die digitalen Bürgerrechtler haben. Die Welt sah eine Netzgemeinde um Aufmerksamkeit kämpfen. Die FAZ sah in der Veranstaltung gleich gar keine Internetkonferenz mehr, sondern ein "Forum zur Erörterung drängender politischer und gesellschaftlicher Fragen unter dem Aspekt des Digitalen", auf dem die Blogger auf Sinnsuche sind. Spiegel Online, neben Daimler einer der Hauptsponsoren der Konferenz, machte in einem Kommentar einen netzpolitischen Winter aus, der noch länger anhalten dürfte.

In/side/out, das Motto der re:publica, wurde gleich von mehreren prominenten Rednern so gedeutet, dass die Digital Natives mehr auf den undigitalen Alltag der anderen eingehen müssen. Sascha Lobo fragte, was Bundeskanzlerin Merkel interessieren könnte, der Omnisoph Gunter Dueck forderte eine "ethnokulturelle Empathie", auch mal abseits der eigenen Szene oder Netzfamilie zu denken. Das aber wollten die meisten Teilnehmer gar nicht. Das "Willkommen zu Hause", mit dem Mitveranstalterin Tanja Häusler die Besucher begrüßte, drückte auch das Bedürfnis aus, endlich einmal unter sich zu sein. Entsprechend voll waren die Vortragshallen, wenn es um das Leben der Digital Natives selbst ging, die in den Krieg ziehen oder richtigen Journalismus machen, übrigens vorgetragen von durchweg älteren Menschen vordigitaler Bauart. Für Natives, die bei Reisen im Realen daran gewöhnt sind, von der Bordkarte über das Bahnticket bis zur Hotelreservierung alle Dokumente auf ihrem iPhone gespeichert zu haben, war der verspätete Auftritt von Andriankoto Harinjaka Ratozamanana eine ganz unglaubliche Geschichte.

Eine Messe ist laut Wikipedia eine "zeitlich begrenzte, wiederkehrende Marketing-Veranstaltung". Genau das war die re:publica, auf der viele Menschen ihre "Projekte" vorstellten. Man spürte deutlicher als in früheren Jahren, dass viele Vortragende die re:publica als ultimative Veranstaltung zur Kontaktpflege und Selbstvermarktung wahrnehmen. Entsprechend der Größe der Veranstaltung sind die Themen "massentauglicher" präsentiert worden, mit Katzencontent in vielen Vorträgen: Auch die digital Natives wollen bespaßt werden. Der nächste Spaß soll vom 5. bis 9. Mai 2014 gleich fünf Tage lang dauern, wie eine ordentliche Messe. Oder halt, doch nicht: Die Veranstalter haben lediglich noch nicht entschieden, an welchen 3 von diesen 5 Tagen die re:publica 2014 stattfinden soll. (bo)