450-MHz-Streit: Wirtschaftsministerium sieht Smart-Meter-Einsatz gefährdet
Das Wirtschaftsressort rechnet mit "mehrjährigen Verzögerungen" und "erheblichen Mehrkosten", wenn das 450-MHz-Band an die Blaulichtbehörden geht.
Innerhalb der Bundesregierung ist ein Kampf über die künftige Nutzung des langwelligen 450-MHz-Frequenzbereichs entbrannt: Das Bundeswirtschaftsministerium will sicherstellen, dass das begehrte Spektrum der Energiewirtschaft zur Verfügung steht. Dies sei nötig für den Einsatz intelligenter Stromzähler in der Fläche, heißt es im Haus von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) drängt dagegen darauf, das Spektrum den sogenannten Blaulichtbehörden für die mobile Breitbandkommunikation zuzuweisen.
Mehrjährige Verzögerungen möglich
"Stünde ein 450-MHz-Breitbandnetz den energiewirtschaftlichen Anwendungen nur zum Teil zur Verfügung, hätte dies signifikant nachteilige Folgen für die Digitalisierung der Energiewende", warnt Ulrich Nußbaum, Staatssekretär im Wirtschaftsressort, im Namen der Bundesregierung in einer heise online vorliegenden Antwort auf eine Anfrage der grünen Bundestagsabgeordneten Ingrid Nestle. "In Smart-Meter-Gateways müssten dann zwei Kommunikationsmodule verbaut werden."
Erforderlich wäre "ein neues Hard- und Softwarekonzept" für die Basisschnittstelle für intelligente Stromzähler, schreibt Nußbaum weiter. Ein solches müsste "mehrere Kommunikationsmodule in einem Gehäuse ohne Funktions- und Sicherheitseinschränkungen unterbringen" sowie "die Daten zwischen den unterschiedlichen Kommunikationen aufteilen" können. Derartige geänderten Anforderungen "würden eine umfassende Neubearbeitung der Technischen Richtlinie und Schutzprofile sowie des gesetzlichen Zertifizierungsprozesses zur Folge haben". Die Konsequenz wären "mehrjährige Verzögerungen und erhebliche Mehrkosten".
Das Wirtschaftsministerium hatte gerade erst gemeinsam mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) den Startschuss für den verpflichtenden Smart-Meter-Einbau in größeren Haushalten gegeben. Die Grundlage dafür war, dass inzwischen drei voneinander unabhängige Unternehmen intelligente Messsysteme anbieten und die Voraussetzungen für eine breite Markteinführung der Technik damit gegeben sein sollen.
Um ein hohes Schutzniveau bei der Digitalisierung der Energiewende zu gewährleisten, habe das BSI dabei auch "technische Standards für die Kommunikation" der intelligenten Stromzähler festgelegt, erläutert Nußbaum nun dazu. Vorgesehen sei es, dafür einheitlich ein Modul in den Smart-Meter-Gateways zu verwenden. Stünden der Energiewirtschaft die 450-MHz-Frequenzen planmäßig zur Verfügung, könnte dies künftig "ein entsprechendes LTE-Modul sein". Die Ende des Jahres "zur Neuvergabe anstehenden Frequenzbänder" seien generell "besonders geeignet für Anwendungen im Rahmen der Digitalisierung der Energiewende".
Bedarfsermittlung
Die Bundesnetzagentur hat bereits eine "Bedarfsermittlung" und Eckpunkte für die künftige Nutzung des 450-MHz-Bands veröffentlicht und interessierte Kreise zu einer Konsultation gebeten, die Ende Februar ausläuft. Auf dem Frequenzbereich betrieb die Deutsche Bundespost beziehungsweise die Deutsche Telekom von 1985 bis 2000 das analoge Mobilfunknetz C-Netz. Danach blieb ein Frequenzblock bei dem Bonner Konzern, zwei Blöcke gingen an die Firma 450Connect, die nach eigenen Angaben damit bereits "in Kooperation mit Energieversorgungsunternehmen ein sicheres und zuverlässiges Kommunikationsnetz" unterhält.
Das Spektrum soll nach Ansicht der Bundesnetzagentur vom nächsten Jahr an "für den drahtlosen Netzzugang vorrangig für Anwendungen kritischer Infrastrukturen bereitgestellt werden". Auch die Regulierungsbehörde hat den Fokus dabei bisher auf die Energiebranche gesetzt, verweist aber zugleich darauf, dass die Bundesregierung das letzte Wort habe. Im September hatte sich auch der Beirat der Agentur einstimmig für eine solche Lösung ausgesprochen. Die Kommunal- und Branchenverbände VKU und BDEW riefen die Regierung in einem offenen Brief im Oktober auf, die 450-MHz-Frequenzen an die Energiewirtschaft zu geben.
Breitbandnetz fĂĽr Polizei "unabdingbar"
Die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) beansprucht das Spektrum dagegen für Einsatz- und Rettungskräfte sowie die Bundeswehr. Seehofer unterstützte dieses Anliegen Ende Januar nach einem Treffen mit Spitzenvertretern der Nutzerorganisationen des Digitalfunks. Polizei, Feuerwehr und andere Hilfskräfte "benötigen zur Bewältigung ihrer täglichen Einsätze mobile Kommunikationsmittel auf der Höhe der Zeit", betonte der Innenminister. "Dabei werden auch Breitbandanwendungen immer wichtiger." Polizisten etwa müssten unterwegs Fahndungsfotos übermitteln oder mobile Informationen aus verschiedenen Datenbanken abfragen können.
Seehofer hält daher "ein eigenes sicheres und hochverfügbares Breitbandnetz" für die Blaulichtbehörden für "unabdingbar". "Unverzichtbare Voraussetzung" dafür sei es, die 450-MHz-Frequenzen entsprechend zuzuweisen. Aufgrund der physikalischen Eigenschaften des Bereichs mit einer hohen Reichweite sei dieser der einzig sinnvolle und mögliche für einsatzkritische Datenübertragungen mit der notwendigen Sicherheit. Das Band sei zudem grenzüberschreitend nutzbar. Auch die Innenministerkonferenz habe daher im vergangenen Jahr den "fachlichen Bedarf" bestätigt.
Wer sich im politischen Raum innerhalb der Regierung durchsetzen wird, ist offen. Ein Kompromiss mit einer Mitnutzung scheint wenig praktikabel. Es sei ein Trauerspiel zu sehen, wie die Vergabe der 450-MHz-Frequenzen im Zwist zwischen des unionsgeführten Innen- und Wirtschaftsressorts "unter die Räder kommt", monierte Nestle die Ungewissheit. Die Sprecherin für Energiewirtschaft der Grünen beklagte, dass sich die Einführung der Smart-Meter-Gateways bereits sehr lange verzögert habe und "der nun beginnenden Einbauwelle" erhebliche Probleme drohten. (olb)