5G-Mobilfunk im Feldversuch: Telekom, Nokia und Hamburger Hafen präsentieren erste Ergebnisse
Die Mobilfunkbranche möchte die kommende 5G-Technik neuen Kunden in der Industrie schmackhaft machen. Der erste Feldversuch sieht vielversprechend aus.

(Bild: Nokia)
Die Hamburger Hafenbehörde (Hamurg Port Authority, HPA), der Netzbetreiber Deutsche Telekom und der Netzwerkzulieferer Nokia haben am gestrigen Dienstag erste Ergebnisse ihres gemeinsamen 5G-Mobilfunkfeldversuchs vorgestellt. Weltweit handelt es sich dabei um den ersten Feldversuch unter industriellen Bedingungen. Den Start gaben die drei Partner im Februar 2018. Das von der EU geförderte Projekt namens MoNArch ist auf zwei Jahre angelegt.
Der Feldversuch ist für die Mobilfunkbranche bedeutsam, weil sie mit dem 5G-Mobilfunk anders als mit bisherigen Techniken der zweiten, dritten und vierten Generation (2G, 3G, 4G) nicht nur Sprache und Internet-Daten übertragen (Mobile Broadband), sondern zwei neue Anwendungsfelder bewirtschaften will. Beide gehören genau besehen zum Internet der Dinge (Internet of Things, IoT).
Man unterscheidet Spezifikationen für die "massive machine type communication" und die "critical machine communication". Beispiele für den ersten Bereich sind schmalbandige Anwendungen etwa für die Messwerterfassung (Wasserzähler). Entsprechende Modems kommen mit kleinen Batterien jahrelang aus. Die critical machine communication soll eine sehr zuverlässige Signalübertragung gewährleisten und damit zum Beispiel in der Industriefertigung Kabel an den Stellen ersetzen, an denen sie hinderlich sind (z. B. Anlagen- und Robotersteuerung).
Die Hamburger Behörde, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, ist Eigentümerin des Großteils der Hafengrundstücke. Sie bietet mit dem Hafen eine günstige Industrieumgebung für Mobilfunkfeldversuche. Das Gebiet nimmt mit rund 8000 Hektar etwa ein Zehntel der Fläche Hamburgs ein. Für Testgebiete ist das ein ungewohnt großes öffentliches Areal unter einer Leitung. Die HPA erhofft sich von der Zusammenarbeit Impulse für die Weiterentwicklung und Digitalisierung der Hafeninfrastruktur.
Network Slices im Härtetest
Um die neuen Spezifikationen unter realen Bedingungen zu prüfen und zu erhärten, haben die Partner seit Beginn des Feldversuchs im Februar ein 5G-Testnetz mit zwei Zellen im 700-MHz-Bereich aufgesetzt, das weite Teile des Hamburger Hafens abdeckt. Die Praxistauglichkeit prüfen sie anhand von drei Beispielanwendungen.
Sie stellen sehr unterschiedliche Anforderungen an ein Kommunikationsnetz (z. B. Bedarf an hohen Datenraten oder kurzen Latenzen oder an hoher Zuverlässigkeit der Datenzustellung, etc.). Die 5G-Technik lässt sich dafür mittels Network Slices bedarfsgerecht konfigurieren. Im Prinzip handelt es sich dabei um virtuelle Netze mit unterschiedlichen Eigenschaften in einem realen Netz.
(Bild: Dusan Zivadinovic)
Für das erste Beispiel haben die Partner drei von fünfzig Schiffen der Hafenbehörde mit Sensoren ausgerüstet, die mittels 5G-Prototypen-Modems Positions- und Umweltdaten an den Leitstand liefern. Bei erreichen der Serienreife könnte die Technik zum Beispiel Lotsen im Hafengebiet unterstützen. Im zweiten Beispiel wird eine Ampelanlage aus der Ferne geschaltet. Ergebnisse dieses Teils des Feldversuchs möchte die HPA verwenden, um künftig den Straßenverkehr im Hafengebiet zwecks Stauvermeidung besser zu steuern.
Im dritten Beispiel testen die Partner ihr Netz auf Highspeed-Tauglichkeit, wobei es einer definierten Anwendergruppe hohe Datenraten mit möglichst kurzer Latenz zur Verfügung stellen soll. Als Beispielanwendung dient Augmented Reality (AR). Damit lassen sich zusätzliche Gebäudedaten von künftigen oder ehemaligen Bauwerken in das Sichtfeld eines AR-Brillenträgers einblenden. Kurze Latenzen sind dabei essentiell, damit aus der Ferne eingeblendete virtuelle Objekte dem Bild der realen Umwelt möglichst nicht wahrnehmbar nachhängen. Andernfalls stellt sich beim AR-Brillenträger umgehend Übelkeit ein.
Im 5G-Umfeld könnten Ingenieure die AR-Technik bei der Überwachung und Optimierung von Bauplanungen im Hafengebiet nutzen. Ein Leitstand könnte dann ergänzende Informationen als AR-Elemente für Fachleute vor Ort einblenden. In einer rund zehnminütigen AR-Demonstration in den Räumen der Hafenbehörde klappte das schon sehr gut. Dabei haben die Partner eine Skype-Videoverbindung inklusive Sprachübertragung für AR-Einblendungen eingesetzt.
Zwischenbilanz positiv
(Bild: Dusan Zivadinovic)
Beide Spezifikationen, die massive machine communication und die critical machine communication konzipiert die Mobilfunkbranche eigens für die Industrie im Rahmen der 5G-Grundlagenforschung; sie erhofft sich viele ihrer künftigen Kunden in der Fertigungsindustrie und der Logistikbranche. Nokia, Telekom und die HPA erwarten daher vom Feldversuch wichtige Ergebnisse für die praktische Umsetzung der Spezifikationen.
Antje Williams, Executive Program Manager 5G der Deutschen Telekom: "Dieses EU-Projekt bietet eine hervorragende Möglichkeit, wichtige Aspekte der neuen 5G Technologie zusammen mit unserem Kunden HPA zu testen und entsprechend seiner Bedürfnisse weiterzuentwickeln". Jens Meier, CEO der HPA sagte: "Wir haben durch das Testbed jetzt einen ersten Eindruck bekommen, welches enorme Potenzial uns 5G und insbesondere die Möglichkeit des Network Slicing bieten wird. Für mich ist der neue Standard Grundlage, um anspruchsvolle Aufgaben aus der Industrie zu lösen und der Digitalisierung hier endgültig zum Durchbruch zu verhelfen.“
In der zweiten Hälfte des auf zwei Jahre angesetzten Feldversuchs soll es unter anderem um die Skalierung gehen. Beispielsweise könnten mehr Schiffe an das 5G-Netz angebunden werden, um den Einsatz für das Flottenmanagment zu prüfen. Doch während erste 5G-Smartphones und -Tablets bereits Ende 2019 in den Handel kommen könnten, brauchen die 5G-Industrieanwendungen noch einige Jahre mehr bis zur Serienreife. (dz)