Anonyme Hinweise zur Unfallvermeidung

Um Fehler frühzeitig zu erkennen, setzen immer mehr Kliniken und Fachärzte auf Verfahren aus der Luftfahrt. Das berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe.

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Um Fehler frühzeitig zu erkennen, setzen immer mehr Kliniken und Fachärzte auf Verfahren aus der Luftfahrt. Das berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe 07/08 (seit dem 19.6. am Kiosk oder portokostenfrei online zu bestellen).

Die Idee beruht auf einer simplen Beobachtung: Ursache der meisten Fehler sind nicht unkonzentrierte Mitarbeiter, sondern Tücken in der Organisation. Und diese findet man schneller, wenn man sich an die vielen Beinahe-Unfälle hält, als wenn man nur relativ seltene, aber gravierende Schäden analysiert. Schon in den 30er-Jahren machte der amerikanische Sicherheits-Ingenieur Herbert William Heinrich bei der Analyse von 550.000 Unfällen die Beobachtung, dass es ein konstantes Verhältnis zwischen schweren, leichten und Beinahe-Unfällen gibt, und zwar von 1 zu 29 zu 300. Dieser als „Heinrich's Law“ in die Literatur eingegangene Sachverhalt wurde in späteren Untersuchungen mit ähnlichen Zahlenverhältnissen bestätigt.

Dieser Prinzip wird nun in einer wachsenden Anzahl von Kliniken durch ein so genanntes „Critical Incident Reporting System“ (CIRS) umgesetzt: Über ein Intranet-Formular können alle Mitarbeiter der Klinik anonym über Missgeschicke und Beinahe-Unfälle berichten, die sonst in der täglichen Routine untergegangen wären. Als eine der ersten deutschen Kliniken hatte die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) bereits im Jahr 2000 eine in Basel entwickelte CIRS-Software im eigenen Haus installiert und weiterentwickelt. Mittlerweile gibt es rund ein halbes Dutzend CIRS-Plattformen im Internet – manche stehen sogar nicht registrierten Internetnutzern offen.

Der Vorteil solcher offenen Plattformen liegt in den hohen Fallzahlen, aus denen die Beteiligten lernen können. „Ein niedergelassener Arzt zum Beispiel, der sich auf Coliquio anmeldet, berichtet in einen großen Pool. Das ist hier sinnvoll, da ein geschlossenes System für eine einzelne Praxis wenig hilfreich wäre“, sagt Martin Drees, Geschäftsführer der CIRS-Plattform Coliquio. 3200 Einzelnutzer und 18 Krankenhäuser verwenden nach seinen Angaben den Dienst bereits. (wst)