Australien verabschiedet umstrittenes Gesetz gegen Gewaltvideos
Ein Gesetz gegen Gewaltvideos im Netz ist in Australien höchst umstritten. Dennoch hat es das Parlament nun verabschiedet – eine Reaktion auf Christchurch.
Trotz lauter Kritik hat das australische Parlament ein Gesetz gegen "grausame Gewaltaufnahmen" im Internet verabschiedet. Internet-Firmen, die solche Inhalte nicht schnell genug von ihren Plattformen entfernen, drohen künftig Strafen. Juristen, Medienhäuser, Bürgerrechtsgruppen und die australische Tech-Industrie hatten das Vorhaben scharf kritisiert: Sie befürchten weitreichende und unvorhersehbare Konsequenzen für sich und ihre Arbeit. Das Gesetzesvorhaben hatte Premierminister Scott Morrison erst am Samstag angekündigt. Erstaunlich schnell entwickelte sich die Vorlage von einer Idee zur Realität.
Das Gesetz soll den Missbrauch von Facebook, YouTube und anderen Plattformen durch Terroristen und Kriminelle verhindern oder zumindest erschweren. Das Vorhaben ist eine politische Antwort auf den Terrorangriff auf Muslime in Christchurch am 15. März, bei dem 50 Menschen in zwei Moscheen ermordet wurden. Der Täter hatte das Massaker 17 Minuten lang live auf Facebook via Helmkamera gestreamt. Der Plattform war es nicht gelungen, den Stream vorzeitig zu unterbrechen. In den ersten 24 Stunden blockierte Facebook zwar 1,2 Millionen Versuche, das Video erneut hochzuladen – ließ aber auch rund 300.000 Uploads durch. Noch heute sind die Aufnahmen im Netz für jeden zu finden, der nach ihnen sucht.
Es drohen Geld- und Haftstrafen
"Die normalen Medien dürfen einen Angriff wie in Christchurch oder andere gewalttätige Verbrechen nicht live übertragen – und auch soziale Medien sollten dies nicht tun dürfen", meint der australische Kommunikationsminister Mitch Fifield. Generalstaatsanwalt Christian Porter sieht das ähnlich. "Plattformen wie YouTube, Twitter und Facebook werden ihrer Verantwortung bisher nicht gerecht", erklärte er laut The Guardian.
Das neue Gesetz richtet sich an jene Plattformen, die gewalttätige Inhalte speichern oder streamen. Bei Zuwiderhandlung drohen Geld- oder sogar mehrjährige Haftstrafen. Soziale Netzwerke müssen Strafen in Höhe von zehn Prozent ihrer Jahreseinnahmen zahlen, wenn sie es nicht schaffen, gewalttätige Inhalte "zeitnah" zu entfernen. Das Gesetz definiert solche "abscheulichen Inhalte" als Videos, die Terrorangriffe, (versuchte) Morde, Folter, Entführungen oder Vergewaltigungen darstellen. Wenn Plattformen solche Inhalte entdecken, müssen sie zudem die Australische Bundespolizei verständigen.
Gesetz zu schnell durchgewunken?
Scott Farquhar, Mitgründer von Atlassian, kritisiert laut ABC, dass die australische Regierung mit diesem Gesetz Unsicherheit erzeugen und Jobs gefährden würde. "Niemand will solche Inhalte im Netz haben", stellt er klar, "aber das Gesetz ist fehlerhaft und wird der Tech-Industrie schaden". Die Regierung handle überstürzt, zudem sei das Gesetz schwammig formuliert. "Was heißt zeitnah? Nicht definiert!", schreibt er auf Twitter. Atlassian gehört zu den größten australischen Tech-Firmen.
Auch die Digital Industry Group, die Google, Facebook, Twitter, Amazon und Verizon Media in Australien vertritt, hat davor gewarnt, dass das Gesetz ohne weitergehende Rücksprachen verabschiedet wurde. Facebook hatte aber seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit erklärt und diverse Maßnahmen angekündigt. So soll mehr Geld in Software investiert werden, um schnell bearbeitete Versionen von Gewaltvideos oder -bildern zu erkennen. (dbe)