BKA räumt massive Schwierigkeiten mit neuem Computersystem ein (Update)

Das Bundeskriminalamt hat massive Probleme mit dem neuen Computersystem "Inpol neu" eingeräumt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 50 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Wolfgang Stieler

Das Bundeskriminalamt hat massive Probleme mit dem neuen Computersystem "Inpol neu" eingeräumt. Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa bestätigte ein BKA-Sprecher jetzt, dass zu Beginn des für nächsten Sonntag vorgesehenen Probebetriebes nicht die komplette Software zur Verfügung stehe. Nach Informationen des schleswig-holsteinischen Innenministeriums soll der Start des gemeinsamen Informationssystems um sechs bis zwölf Monate verschoben werden. Bereits Ende März hatten sich die Indizien dafür verdichtet, dass der geplante Termin unhaltbar geworden war.

Nach den Worten von BKA-Sprecher Norbert Unger werden einzelne Anwendungsbereiche von "Inpol-Neu" zunächst als "Pilotversuch" mit einigen ausgewählten Polizeidienststellen betrieben. Ab Ostern sei bei den Dienststellen zunächst nur der Abruf von Daten möglich, nicht aber die Eingabe. Die Informationen würden automatisch aus dem alten System übernommen.

BKA-Sprecher Unger lehnte es ab, zur Schuldfrage des Computer- Desasters Stellung zu nehmen. Welche zeitlichen Verzögerungen sich ergeben, könne er nicht sagen. Die Ablösung des bislang zuständigen Projektleiters begründete der BKA-Sprecher mit einer Umorganisation und Straffung der Projektgruppe. Erste Spekulationen, dass BKA- Präsident Ulrich Kersten wegen der Computerpanne abgelöst werde, bezeichnete Unger als "völligen Quatsch".

Das vom damaligen BKA-Präsidenten Horst Herold vorangetriebene und zu seiner Zeit revolutionäre System "Inpol" war am 13. November 1972 in Betrieb genommen worden. Es sollte die polizeilichen Informationsbedürfnisse bei Ermittlungen, Führungsaufgaben und Forschung befriedigen. Physikalisch ist Inpol ein sternförmiges Sondernetz, das die Datenverarbeitungssysteme der Länderpolizeien miteinander verbindet und als Mittelpunkt die Zentral-Datenverarbeitungsanlage des Bundes (ZDVA) im Bundeskriminalamt in Wiesbaden hat. An dieses Netz sind bundesweit rund 14.000 Terminals an Polizeirevieren, Grenzstellen, Flughäfen und Streifenwagen angeschlossen – außerdem wurde dieses Netz dafür ausgelegt den Zugriff auf polizeirelevante Daten in anderen Informationssystemen zu sichern, wie etwa Dateien des Bundeszentralregisters, des Ausländerzentralregisters, des Kraftfahrzeugbundesamts und der Meldebehörden.

Inpol ist jedoch von Anfang an kein einheitliches, als Gesamtkonzept entwickeltes Informationssystem gewesen. Vielmehr wurden bei seinem Aufbau bereits bestehende und teilweise recht unterschiedliche EDV-Konzeptionen der jeweiligen Länder miteinbezogen – seit 1993 wird daher an einem neuen Informationssystem gearbeitet. Bei Inpol-neu werden alle Daten in einem gemeinsamen Daten-Pool gespeichert. Datenschützern ein Dorn im Auge ist der Umstand, dass Länder- und Bundesdateien nicht mehr so eindeutig voneinander getrennt sind wie früher. Da die einmal eingegebenen Daten rechtlich im Besitz der Länder bleiben müssen, ist die geplante zentrale Speicherung im Auftrag der Länder beim BKA datenschutzrechtlich zumindest heikel. Die GdP warnt zudem vor Sicherheitsrisiken: Die Gefahr von Abhängigkeiten gegenüber externen Unternehmen sei schon jetzt sehr groß, da die Programme mit viel zugekauftem Sachverstand entwickelt worden seien.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) beklagte die Mehrkosten, die nun den Ländern entstünden, die sich rechtzeitig auf "Inpol-Neu" vorbereitet haben. Den zusätzlichen Kosten etwa für neue Rechner und zusätzliches Personal stehe nun kein zusätzlicher Nutzen mehr entgegen. Allein Rheinland-Pfalz entstünden monatlich Mehrkosten von rund 900.000 Mark, was auf die Bundesrepublik umgerechnet Millionenbeträge ergebe, sagte der GdP-Experte Horst Müller.

Der Vorsitzende des BKA-Verbandes im Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Klaus Jansen, warnte vor einer Computerumstellung zum Zeitpunkt der Einführung des Euro-Bargeldes am Jahreswechsel. "Dann stünden wir bei Problemen plötzlich nackt da." Die Einführung von "Inpol-Neu" müsse daher unbedingt auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Für das vorläufige Scheitern des Projektes machte Jansen in erster Linie einige Bundesländer verantwortlich, die ihre eigenen Computersysteme nicht schnell genug entwickelt hätten. (wst)