Bei jeder Installation dazulernen: Zum Tode von Klaus Tschira

Im Alter von 74 Jahren ist der SAP-Mitgründer Klaus Tschira in Heidelberg an den Folgen eines Herzinfarktes gestorben. Seitdem er 2007 SAP den Rücken zuwandte, wirkte der Milliardär als Stifter und Mäzen auf vielen Gebieten.

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Klaus Tschira

(Bild: dpa, Fredrik von Erichsen)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Klaus Tschira wurde am 7. Dezember 1940 als Sohn eines Kaufmanns und einer Krankenschwester in Freiburg/Breisgau geboren. Nach dem Abitur studierte der begeisterte Hobby-Astronom an der TU Karlsruhe Physik. Während des Studiums arbeitete Tschira als Mathematiklehrer für angehende Volks- und Betriebswirte. Über diese Tätigkeit kam er 1966 zu IBM und wurde dort Systembetreuer für IBM-Computer des System /360 und unterrichtete vor allem Anwendungsprogrammierer in der Sprache COBOL.

Im Jahre 1972 gründete Tschira zusammen mit Hans-Werner Hector, Dietmar Hopp, Hasso Plattner und Claus Wellenreuther eine Firma für Systemberatung, aus der später die SAP hervorging. Die fünf abtrünnigen IBM-Angestellten erkannten die Marktchance, Standardsoftware für IBM-Rechner zu entwickeln, während IBM noch darauf fixiert war, Computer zu verkaufen. Jeder der fünf spezialisierte sich auf ein Programmsegment des künftigen SAP-Komplettangebotes. Bei Klaus Tschira war es die Entwicklung der Personalmanagement-Software.

Ihn kümmerte es im Unterschied zu seinen SAP-Mitgründern wenig, dass dem Unternehmen vorgeworfen wurde, "Halbfertigsoftware" statt passgenau für eine Firma entwickelte Spezialsoftware zu verkaufen – die keiner weiteren Firma verkauft werden konnte. Bei jedem neuen Auftrag kommt ein neuer Geschäftsprozess hinzu, der von SAP abgebildet werden konnte: "Wir sind gewachsen, weil wir halt bei jeder neuen Installation dazugelernt haben. Gleichzeitig haben wir gelernt, dass man sich bei jeder Installation nicht restlos verausgaben darf und auf Berater setzen muss", erklärte Tschira später in einem Interview.

Der eigentliche Aufstieg von SAP begann, als man 1978 vom "System R" in Tag- und Nachtarbeit auf das "portable" System R/2 umstieg, das nicht mehr auf IBM-Rechner angewiesen war.

Bis 1998 arbeitete Tschira als SAP-Manager, danach wechselte er in den Aufsichtsrat, in dem er bis 2007 Mitglied war. Der bärtige Physiker, der als einziger SAP-Gründer keine sportlichen Ambitionen hatte, unterschied sich deutlich von seinen Kollegen, die gerne ihre PR-Auftritte absolvierten. Nach einer Herz-Notoperation zog sich Tschira von allen Geschäften zurück.

Bereits 1995 hatte Tschira die Klaus Tschira Stiftung in Heidelberg gegründet, die sowohl Schüler für Naturwissenschaften und Informatik begeistern als auch Spitzenforscher unterstützten sollte. Sie ist bis heute eine der größten Stiftungen Deutschlands. Später kam das European Media Laboratory als Institut für angewandte Informatik hinzu, bekannt durch die Entwicklung des Tesa-ROM.

Die letzte Ausgründung war das Heidelberger Institut für Theoretische Studien. Wenn Wissenschaftler aus aller Welt nach Heidelberg kamen, um etwa die Entwicklung von semantischer Analysesoftware zu diskutieren, konnte es passieren, dass Tschira auftauchte und mitdiskutierte – und später über seine Schweizer Firma Aeris Capital ein recht erfolgreicher Investor bei Firmen-Neugründungen wurde.

Klaus Tschira tat sich auch als Förder von Kunst und Kultur hervor. Seinem finanziellen Engagement ist es beispielsweise zu verdanken, dass das Deutsche Museum den Nachlass von Konrad Zuse erforschen kann, den Tschira der Familie Zuse abgekauft hatte. Mit der Gerda und Klaus Tschira-Stiftung kaufte er dem Freistaat Sachsen die Wilhelm-Ostwald-Gedenkstätte ab, um sie als "Denkstätte" für Biologen und Chemiker zu betreiben.

(axk)