Bildung: KI hilft im Unterricht
Mithilfe von künstlicher Intelligenz wollen Unternehmen eine Art Turbogang für Schulen und Universitäten schaffen. Eine neue Studie bescheinigt "EdTech" positive Auswirkungen – ein Wundermittel ist es aber nicht.
- Dr. Wolfgang Stieler
- Boris Hänßler
"EdTech", kurz für "Educational Technologies" soll Lernen schneller und effizienter machen. Der Sektor boomt: Hunderte von privaten, gewinnorientierten Start-ups sind in den vergangenen Jahren aus dem Boden geschossen, vom YouTube-Erklärer über Online-Kursangebote renommierter Universitätsdozenten bis hin zum vollautomatischen Tutor auf der Basis von künstlicher Intelligenz. Die Diskussion darüber, wie wirksam solche technischen Hilfen sind, ist jedoch noch völlig offen, berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe (jetzt im Handel und im heise shop erhältlich).
Studie zu Effekten von Lernsoftware
Eine der zur Zeit umfangreichsten Metastudien zur Wirksamkeit "adaptiver Lernsysteme" – also von Software, die den Unterricht an die aktuellen Lernfortschritte der Schüler anpasst – hat Maya Escueta von der Columbia University gemeinsam mit US-Kollegen im Auftrag des National Bureau of Economic Research durchgeführt. Sie führen 29 Forschungsarbeiten in Entwicklungsländern auf, bei denen die Effekte der Lernsoftware unter wissenschaftlich sauberen Bedingungen – also mithilfe randomisierter Kontrollstudien – evaluiert wurden. Die übergroße Zahl der Systeme konzentrierte sich dabei auf die Vermittlung von Mathematik und Sprachen. "Von den 29 Studien zeigen nur acht keinen Effekt und eine negative Auswirkungen", schreiben die Forscher. "Die Mehrheit aller Studien zeigen positive Effekte."
Gemessen haben die Forscher allerdings vorwiegend den reinen Wissenserwerb. Dabei bedeute selbst das Mathematiklernen "mehr als nur ein paar Regeln für Bruchrechnen zu wissen", sagt Ulrich Hoppe von der Universität Duisburg-Essen, der bereits seit den 1990er-Jahren an intelligenten Unterrichtssystemen forscht. "Lernen bedeutet auch Persönlichkeitsentwicklung, es hat auch eine ganz starke soziale Komponente."
Vergleich mit anderen Lernmitteln
"Letztendlich wissen wir immer noch zu wenig darüber, wie Lernen wirklich funktioniert", sagt auch Christoph Igel, Leiter des Educational Technology Lab des DFKI in Berlin. Empirisch belegt sei lediglich, dass Lernende, die gut organisiert und in hohem Maße intrinsisch motiviert sind, adaptive Lerntechnologien häufig nutzen. "Aber gerade diejenigen, die Unterstützung bräuchten, sind oft sehr wenig motiviert, intelligente Lernsysteme zu benutzen", sagt Igel. "Gemessen an Wissenserwerb und Gedächtnisausprägung funktionieren adaptive Lernsysteme so gut oder so schlecht wie andere Lernmittel auch." Ein Fazit, das auch Escueta und Kollegen ziehen: Verkleinerung der Klassen, direkte Zuwendung und Coaching von Schülern bringe vergleichbare Verbesserungen wie computerunterstützes Lernen, schreiben sie.
Mehr zu adaptiven Lernsystemen lesen Sie im Artikel "Mehr Input", der in der neuen Ausgabe der Technology Review erschienen ist (jetzt im Handel und im heise shop). (jle)