Bundesregierung will schärfer gegen Nazi-Propaganda im Netz vorgehen

Das Kabinett will unter Strafe stellen, wenn Deutsche verfassungswidrige Hetze via Ausland verbreiten. Der "Schriftenbegriff" des StGB soll modernisiert werden.

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Bundesregierung will schärfer gegen Nazi-Propaganda im Netz vorgehen

(Bild: JARIRIYAWAT/Shutterstock.com)

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Das Bundeskabinett hat am Mittwoch einen Gesetzentwurf zur Reform des Strafgesetzbuches (StGB) auf den Weg gebracht. Das Verbreiten von Nazi-Propaganda und von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie Volksverhetzung sollen damit auch in Fällen strafbar werden, in denen Deutsche oder hier dauerhaft lebende Personen solche verfassungswidrigen Inhalte vom Ausland aus über das Internet verbreiten. Das soll auch für Aufrufe zum Widerstand gegen die Staatsgewalt und zu Straftaten gegen die öffentliche Ordnung gelten. Voraussetzung dafür ist, dass die Veröffentlichungen "auch in Deutschland wahrnehmbar" sind.

Einen ähnlichen Vorschlag hatte der Bundesrat bereits 2016 gemacht und Bundesregierung sowie Bundestag zum Handeln aufgefordert. Er verwies etwa auf einen Täter, der nach Tschechien gereist sei, dort auf YouTube die Plattform "Arische Musikfraktion" gegründet und auf dieser Abbildungen von Hakenkreuzen hochgeladen habe. Zugleich hatte die Länderkammer zu bedenken gegeben, dass das deutsche Strafrecht nicht uneingeschränkt auf "Auslandssachverhalte" anwendbar sein solle. Es müsse berücksichtigt werden, dass solche Taten "in vielen anderen Staaten nicht als strafbares Unrecht betrachtet" würden. In den USA etwa sind sie von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Weiter verfolgt das Kabinett mit der Initiative das Anliegen, den strafrechtlichen Schriftenbegriff im StGB zu modernisieren. Stattdessen soll von "Inhalten" die Rede sein. Darunter fallen soll alles, was "in Schriften, auf Ton- oder Bildträgern, in Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Verkörperungen enthalten" ist oder auch unabhängig von einem Speicher über "Informations- oder Kommunikationstechnik" übertragen wird. Dies bezieht sich auch auf Echtzeit-Übertragungen wie Live-Streams oder IP-Telefonie.

Die Regierung begründet dieses Vorhaben damit, dass strafbare Inhalte wie "volksverhetzenden Äußerungen oder Kinderpornographie" heute nicht mehr vorrangig über gedruckte Medien verbreitet würden, sondern digital und insbesondere übers Internet. Durch den neuen technikoffenen Ansatz sollten bisherige Abgrenzungsschwierigkeiten etwa zum Begriff der Telemedien beseitigt und ein "einheitlicher Regelungsstandard" geschaffen werden. Damit wird es laut dem Kabinett keine Rolle mehr spielen, ob eine bestimmte Übertragungsform durch Messenger wie WhatsApp & Co. oder E-Mail-Angebote wie Gmail zu den Telekommunikationsdiensten oder "telekommunikationsgestützten Diensten" ("Over the Top") zählten.

Die Bund-Länder-Organisation jugendschutz.net begrüßte das Anliegen anhand des vom Bundesjustizministeriums zunächst vorgelegten Referentenentwurfs prinzipiell. Videos, Fotografien und sonstige Informationen würden heute mithilfe der modernen Technik und Medien massenhaft verbreitet, schreibt die Institution in einer Stellungnahme. "Schriften" habe diese Entwicklung nicht mehr abgebildet. Für eine von Inhalten ausgehende Gefahr komme es zudem auf deren "Wahrnehmung, Nutzung oder Weitergabe" an, nicht jedoch darauf, "dass sich in jedem Glied einer solchen Verbreitungskette entsprechende Inhalte auch perpetuieren". Rückendeckung erhielt das Justizressort etwa auch vom Deutschen Richterbund und vom Bund deutscher Kriminalbeamter (BdK). (vbr)