Datenschutz ist (k)ein Thema an der Schule
Datenschutz und das Recht auf Privatheit werden im Unterricht an Schulen und Weiterbildungseinrichtungen vernachlässigt.
Datenschutz und das Recht auf Privatheit werden im Unterricht an Schulen und Weiterbildungseinrichtungen vernachlässigt. Wachsender Kontrollmöglichkeiten und die zunehmende Einschränkung der Privatspäre durch die allgegenwärtige Vernetzung verbunden mit neuen Technolgien von RFID bis zum Digital Rights Management machten den Datenschutz aber wichtiger als je zuvor, warnten Referenten bei den Stuttgarter Tagen der Medienpädagogik unter dem Motto "Durchlässig und (un)durchschaubar - Datenschutz im 21. Jahrhundert" (Programm als PDF-Datei). 2006 haben wir die reale technologische Basis für das Orwellsche 1984," sagt Wolfgang Schindler vom Studienzentrum Josefsthal."Zu wenige Leute sagen heute nein, wenn es um den Verkauf ihrer Daten geht," sagte Andrea "Princess" Wardzichowski vom Chaos Computer Club Stuttgart.
Das sich auf die Gesellschaft legende Stahlnetz, vor dem die Medien angesichts der Volkszählung im Jahr 1987 gewarnt hatten, sei zwar inzwischen deutlich enger geknüpft, aber nicht spürbar. "Es ist ein Schaumnetz geworden. Stahl wäre alte Technologie", sagte Schindler, der auch vor Orwellschem "Neusprech" warnte, der Umdeutung von Begriffen. Beim Trusted Computing gehe es eben nicht um Vertrauen, sondern Mißtrauen gegenüber den Nutzer, DRM meine eher Digital "Restrictions" Management. Im Kern, so Schindler, gehe es bei der Vermittlung von Datenschutz an die nächste Generation um "unser Verständnis von Demokratie und Menschenwürde".
Reine Bewahrpädagogik reiche dabei nicht aus, so der Pädagoge. Mit den Regeln "Gib deine Schlüssel nicht heraus", "sprich nicht mit Fremden" (im Chat), "du sollst nicht raubkopieren" und, "wenn du doch einmal ausprobieren willst, wie man sich Musik aus dem Netz lädt, lass dich nicht erwischen" reiche nicht aus. Wichtig sei es, den Datenschutz alltagsnah und erfahrungsorientiert zu vermitteln. "Einer meiner Söhne musste unterschreiben, dass er komplett überwacht wird, wenn er im Computerraum der Schule ist." Natürlich würden Schüler das unterschreiben, denn sie wollten den Zugang. Damit aber hätten sie bereits die erste Lektion gelernt. "Es geht, so Schindler, um die innere Bereitschaft, sich zu unterwerfen."
Als Datenschutz-Thema zum Anfassen plant das Studienzentrum, seinen Seminarteilnehmern ganz praktisch vorzuführen, was sich durch eine RFID-unterstützte Einlasskontrolle zu einem Medienraum alles machen lasse. Mit einer Technlogie, die schon für 200 Euro bei Conrad zu haben sei, ließe sich etwa überprüfen, welche Seminarteilnehmer immer zu spät zum Frühstück kämen.
Datenschutz tut sich schwer an der Schule. Im Informatikunterricht sei er kein Thema, sagte ein Lehrer aus Baden-Württemberg. Dies verdeutlichte bei der Veranstaltung auch die Karriere der wenigen vorhandenen Unterrichtsmaterialien. Einfach eingeschlafen sei die Entwicklung einer 2003 entwickelten CD, die das Thema Datenschutz mit praktischen Tips und gesetzlichen Grundlagen für Schüler einführt, berichtete Fabian Fülle vom Beratungsunternehmen UIMC. Was war passisert? Verschiedene Länder, allen voran Niedersachsen hatten die Abnahme von CDs zugesagt, doch am Ende war kein Geld da für die Schullizenzen von knapp 55 Euro. Priorität hätten die Anschaffung von Hardware, Software und Office-Paketen, so Fülle. Die CD wird inzwischen in abgewandelter Form an Unternehmen verkauft, die IG-Metall setzt eine Version in der Weiterbildung ein. Schindler kennt ähnliche Beispiele - "niemand fragt die Materialien nach."
Mehr Resonanz erhofften sich zwei aktuelle Projekte: der für Grundschulkinder gedachte Internautenkoffer der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia, MSN und Deutschem Kinderhilfswerk und das Portal Handysektor.de, das sich um die Sicherheit in mobilen Netzen und damit um die etwas älteren Jugendlichen kümmert. Die Organisatoren von der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) und dem Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest (mpfs) wollen dem Datenschutz nun einen eigenen Themenblock widmen. Bleibt zu hoffen, dass den neuen Projekten mehr Aufmerksamkeit zuteil wird. Kein gutes Zeichen für den Datenschutz allerdings: die zur Tagung geladenen Landespolitiker sagten ihre Teilnahme an einem heute stattfindenden Podium allesamt ab. (Monika Ermert) / (jo)