Die Mutter des Compilers: Zum 100. Geburtstag von Grace Murray Hopper
Heute vor 100 Jahren erblickte die Computerpionierin Grace Murray Hopper das Licht der Welt.
Heute vor 100 Jahren erblickte die Computerpionierin Grace Murray Hopper das Licht der Welt. Im zweiten Weltkrieg programmierte sie für die US-Marine den Ur-Computer Mark I. Sie verfasste das erste Benutzerhandbuch, baute den ersten Compiler namens A-O und schuf die Programmiersprache Flow-Matic. Weltruhm erlangte sie mit der Entwicklung von COBOL (Common Business-Oriented Language). Last but not least hat sie als erster weiblicher Konteradmiral einen der höchsten Ränge der amerikanischen Marine erreicht -- ohne jemals auf einem Kriegsschiff gedient zu haben.
Grace Brewster Murray wurde am 9. Dezember 1906 als Tochter eines vermögenden Versicherungsmaklers in New York geboren. Der Vater, im Ersten Weltkrieg ein hoch dekorierter Admiral der US-Marine, vermittelte seinen drei Kindern die Leidenschaft für Mathematik. Grace wählte Mathematik als Hauptfach am Vassar College, eine der "Seven Sisters" genannten Schulen für Töchter aus der Oberschicht. Danach besuchte sie die Yale University und promovierte 1934 in Mathematik. Ihr einflussreichster Lehrer war Howard Engstrom, der als Commander im Zweiten Weltkrieg die amerikanische Kryptoanalyse-Truppe leitete. Als Grace sich nach der Bombardierung von Pearl Harbour zum für Frauen freiwilligen Militärdienst meldete -- damals bereits Assistenz-Professorin am Vasar College -- hoffte sie, in Engstroms Einheit "Communication Supplementary Activities" zu arbeiten, in der überwiegend Mathematiker mit Kryptografie-Problemen beschäftigt waren.
Stattdessen wurde sie zum "Bureau of Ships Communication" nach Harvard versetzt, Ihr Vorgesetzter war Reserveoffizier Howard Aiken, quasi der Befehlshaber der Mark I. Er empfing sie an einem Montag im Juni 1944 mit den schroffen Worten: "Das da ist unsere Maschine. Ich wäre glücklich, wenn ich am Donnerstag die Koeffizienten für die Interpolation des Arcustangens haben könnte." Hinter dem Befehl stand eine dringliche Anfrage der Marine, die Feuertabellen für einen neuen Raketentyp benötigte.
Grace löste das Problem und programmierte in zwei Jahren insgesamt 23 solcher Tabellen für die Ballistiker der Marine. Als eine von drei Programmierern bekam sie von Aiken anschließend das Kommando, ein Benutzerhandbuch für den Mark I zu schreiben. Nach den von ihr verfassten 561 Seiten soll der Spruch RTFM in die Welt gekommen sein, doch gilt diese Darstellung unter Militärhistorikern ebenso als "Urban Myth" wie die Motte, die Grace angeblich in das Logbuch des von ihr mitkonstruierten Nachfolgerechners Mark II klebte.
Die Tätigkeit am Mark I und Mark II beeinflussten Grace Hopper nachhaltig. 1930 hatte sie den Englisch-Dozenten Vincent Foster Hopper geheiratet, der 1945 in Übersee fiel. Nach dem Kriegsende ging sie zunächst zurück als Professorin für Mathematik an das Vassar College. Unwillig, wieder zu heiraten, hatte sie dort keine Aufstiegschancen und ging zur Eckert-Mauchly Computer Corporation, wo damals am UNIVAC I gearbeitet wurde. Hier entwickelte sie in den Fünfzigern und Sechzigern einen Compiler und schließlich die Programmiersprache COBOL. Eine Stelle bei IBM schlug sie aus: "Das war damals in den Tagen, wo alle gleich angezogen waren, eine IBM-Flagge auf dem Schreibtisch hatten und IBM-Lieder sangen. Das war zuviel für mich." Obwohl sie aktiv an allen Übungen für Reserveoffiziere teilnahm, wurde Grace Hopper 1966 aus der Armee entlassen. "Das war der schlimmste Tag meines Lebens".
Grace Hopper selbst bezeichnete den Vietnamkrieg als ihre Rettung. Am 1. August 1967 wurde sie wieder eingezogen und musste mit einem Team die verschiedenen Programmiersprachen der US-Marine vereinheitlichen. Das Projekt, für das Grace Hopper COBOL als Zielsprache benutzte, war auf sechs Monate veranschlagt. Sie blieb 19 Jahre. 1986 wurde sie aus dem Militärdienst entlassen, arbeitete aber noch bis zu ihrem Tode als Beraterin der Marine.
Obwohl Grace Hopper liebend gerne den 31. 12. 1999 erlebt hätte, starb sie im Schlaf am Neujahrstag 1992. In den fünfziger Jahren war es ihre Entscheidung, die Datumsfunktion in COBOL auf zwei Stellen beim Jahresdatum zu beschränken. Damals rechnete niemand damit, dass COBOL-Programme noch nach 2000 laufen und die Y2K-Panik erzeugen könnten. (Detlef Borchers) / (kav)