Digitale Alcopops: Die perfiden Mechanismen der Spielehersteller

In-Game-Coins, Lootboxen, Spielpässe – die Finanzierungsmodelle verführen zur zügellosen Geldausgabe. Der Gesetzgeber sieht tatenlos zu.

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Digitale Alcopops: Die perfiden Mechanismen der Spielehersteller
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Das Ergebnis einer DAK-Studie ist dramatisch: Hundertausende Jugendliche unter 18 Jahren in Deutschland sind durch Spielsucht gefährdet. Die jugendlichen Zocker vernachlässigen ihre Ausbildung, verlieren den Kontakt zu Freunden und Familie und verfallen in Depression (DAK-Studie, PDF). Derweil feilen die Spielehersteller an neuen Finanzierungsmodellen und suchterzeugender Mechanismen: Online-Titel mit Unterhaltung ohne absehbares Ende, kostenpflichtige In-Game-Gegenstände und -Coins, Überraschungskisten, Spezialfiguren, Spielpässe.

Fortnite hält Spieler über Battle-Pässe bei der Stange. Bei der Teilnahme an damit zugänglichen Online-Events verspricht der Hersteller weitere Gewinne und Aufstiegsmöglichkeiten.

Für die Spieler sind die wahren Kosten der In-Game-Objekte dabei kaum überschaubar. So zahlt man beispielswiese in FIFA für 250 Münzen 2,50 Euro. Wer jedoch ein Paket für 100 Euro erwirbt, bekommt 12.000 Münzen. Der Rabatt verleitet Spieler dazu, möglichst viel Geld für große Pakete auszugeben. Laut einer US-Studie des Marktforschungsinstituts LendEDU gibt ein zahlender Spieler in Fortnite durchschnittlich knapp 85 US-Dollar im Spiel aus – und fast 70 Prozent aller Fortnite-Spieler nutzen die kostenpflichtigen Angebote des Spiels.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet die Gaming Disorder (Computerspielabhängigkeit) als eine mit der Glücksspielsucht vergleichbare Disposition. Dass dabei auch hohe Kosten anfallen können, scheint unter diesem Gesichtspunkt fast zweitrangig: Eltern können auf Kreditkartenfreigabe und PayPal verzichten und ihren Kindern stattdessen Guthabenkarten für Steam & Co. kaufen. Das problematische Suchtverhalten von Spielern lässt sich dagegen nicht so einfach abstellen. c't-Redakteur Hartmut Gieselmann fordert im Editorial der c't, den digitalen Alcopops endlich die Jugendfreigabe zu entziehen.

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Mit der Fokussierung auf In-Game-Währungen, Lootboxen und Gewinnversprechen lassen Hersteller von Online-Spielen die Grenzen zum Glückspiel immer mehr verschwimmen. Den Einnahmerekorden der Hersteller – 2018 betrug der Umsatzanteil von Download-Inhalten im Spielmarkt rund 41 Prozent – stehen knapp eine halbe Million suchtgefährdeter deutscher Jugendlicher gegenüber. Gesetzgeber und Jugendschutz sehen bislang tatenlos zu.

Immerhin übernehmen die hiesigen gesetzlichen Krankenkassen dank der WHO-Klassifizierung inzwischen meist die Kosten einer Therapie. Der Gesetzgeber könnte das eh schon gebeutelte Gesundheitssystem entlasten, indem er dem gezielten Einsatz suchterzeugender Elemente in Online-Spielen einen Riegel vorschiebt. Und die USK bei ihrer Alterseinstufung suchterzeugende Elemente berücksichtigen und Spielen, die solche Mechanismen einsetzen, eine Jugendfreigabe verweigern.

c't widmet sich im Beitrag Teures Vergnügen in der aktuellen Ausgabe 9/2019 ausführlich den Mechanismen der suchtgefährdenden Online-Spiele und den Folgen der Online-Spielsucht. (uk)