EU-Vizekommissionschefin will Desinformation unter Strafe stellen
Gezieltes Verbreiten von Falschmeldungen könnte bald unter Strafe stehen. Věra Jourová nimmt Tschechien als Vorbild für die anderen EU-Staaten.
Die Vizechefin der EU-Kommission und Kommissarin für Werte und Transparenz, Věra Jourová, plant laut einem Medienbericht, das gezielte Verbreiten von Falschmeldungen unter Strafe zu stellen. Durch entsprechende Änderungen im Strafrecht von EU-Staaten, in denen dies bislang noch nicht geregelt sei, solle ein Verbot etwa von sicherheitsrelevanter Desinformation durchgesetzt werden, sagte Jourová dem Spiegel. Vorbild dafür sei Tschechien.
Gegen das "Virus von Online-Manipulationen"
Als Beispiel nannte Jourová Falschnachrichten, die Panik schüren könnten und damit sicherheitsrelevant seien. In einigen EU-Mitgliedsländern gebe es bereits strafrechtliche Verbote dafür, sagte sie laut Spiegel-Bericht. Dies könne ein Weg für diejenigen EU-Staaten sein, wo Desinformation noch nicht verboten sei. Ihre Beamten prüften derzeit, ob eine entsprechende Regelung in Tschechien Vorbild dafür sein könnte. Die Tschechin Jourová wolle in den kommenden Monaten den EU-Mitgliedern Vorschläge unterbreiten, wie sie sich und ihre Bevölkerung besser vor Desinformation schützen könnten.
Wie der Spiegel weiter schreibt, traf sich Jourová am vergangenen Montag auch mit Facebook-Chef Mark Zuckerberg zu diesem Thema in Brüssel. Von einem Unternehmen wie Facebook fordere sie eine besondere Anstrengung, unsere Demokratie zu verteidigen, sagte Jourová nach dem Treffen. Wir müssten unsere Gesellschaften gegen das Virus von Online-Manipulationen und Einmischungen in unsere demokratischen Prozesse immun machen, verlangte sie.
In Deutschland ist Falschinformation bislang kein eigener Straftatbestand. Entsprechende Nachrichten lassen sich höchstens anhand der Strafbarkeit von übler Nachrede, Störung des öffentlichen Friedens oder Volksverhetzung verfolgen. Der letztere Tatbestand umfasst auch die oft genannte Hassrede, deren Ahndung in Deutschland bereits verschärft wurde bzw. noch weiter verschärft werden soll. Hierzu ist vor allem eine Ausweitung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) geplant. Die entsprechende Gesetzesvorlage will gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität vorgehen, wird jedoch auch als "Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür" kritisiert. Gesonderte strafrechtliche Verfolgung von Hass und Hetze im Netz sind auf EU-Ebene bislang nicht geplant.
Unzufriedenheit mit "FrĂĽhwarnsystem" gegen Falschnachrichten
Die EU-Kommission sorgt sich bereits seit Längerem um die Wirkung von Falschnachrichten und hatte Ende 2018 ein "Frühwarnsystem" ins Leben gerufen, das ab März 2019 mit einem speziellen Instrumentarium Falschnachrichten und Propaganda erkennen und deren Verbreitung in Online- und Offlinemedien eindämmen soll. Die EU-Staaten hatten große Online-Plattformen wie Facebook, Google oder Twitter dafür gewinnen können und arbeiten mit ihnen zusammen. Die Plattformen haben sich zu einem gemeinsamen Verhaltenskodex zur Eindämmung von Fake News bekannt.
Allerdings zeigt sich die EU-Kommission mit den Anstrengungen dieser Plattformen bislang nicht zufrieden. Die damalige EU-Justizkommissarin Jourová kritisierte die teils unzureichenden Anstrengungen der Online-Plattformen bei der Umsetzung des Kodex. (tiw)