EuGH bestätigt Kostenstrafe für Piraten im Streit über Vorratsdatenspeicherung

Schriftsätze der Mitgliedsstaaten in einem europäischen Rechtsstreit sind nicht von vornherein geheim, hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Der Pirat Patrick Breyer, der ursprünglich klagte, muss aber die Hälfte seiner Kosten selbst tragen.

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Dieses Urteil dürfte weder die EU-Kommission noch den Datenschutzaktivisten Patrick Breyer wirklich glücklich machen: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Dienstag in der Rechtssache C-2 13/15 P den Beschluss der Vorinstanz, des Europäischen Gerichts (EuG) voll bestätigt. Die Kommission scheiterte so mit ihrem Berufungsantrag, wonach die Öffentlichkeit keinen Zugang zu in Brüssel vorliegenden Schriftsätzen der Mitgliedsstaaten in einem Gerichtsverfahren von großer Tragweite haben sollte. Breyer muss aber die Hälfte der ihm entstandenen Anwalts- und Gerichtskosten selbst tragen, obwohl die Kommission laut EuGH "vollständig unterlegen ist".

In dem Fall hatte Breyer von der EU-Kommission Dokumente verlangt, mit denen sich Österreich vor dem EuGH erfolglos gegen Vertragsverletzungsverfahren zu verteidigen suchte. Die Kommission verklagte die Alpenrepublik, da diese die mittlerweile aufgehobene EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung nicht umgesetzt hatte. Während des Verfahrens publizierte der Pirat 2012 die Klageerwiderung der Kommission anonymisiert auf seiner Webseite und später ein weiteres Schreiben aus Brüssel, in dem er aufgefordert wurde, den ersten Schriftsatz aus dem Netz zu nehmen.

Wie das EuG entschied die Revisionsinstanz nun, dass die umstrittenen Papiere grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Verordnung über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten fallen, also dem Recht auf Akteneinsicht und Informationsfreiheit prinzipiell unterliegen. Dabei sei zu beachten, dass laut dem Gesetzestext Organe den Zugang zu einem Dokument insbesondere dann verweigern könnten, "wenn durch seine Verbreitung der Schutz von Gerichtsverfahren beeinträchtigt würde". Damit abgewogen werden müsse ein potenzielles "überwiegendes öffentliches Interesse".

Es gebe einen Transparenzgrundsatz im EU-Recht, von dem auch der EuGH nicht grundsätzlich ausgenommen sei. Das oberste EU-Gericht verwies aber auch auf eine allgemeine "Vertraulichkeitsvermutung", sodass von offizieller Seite eingereichte Schriftsätze nicht ohne Weiteres publiziert werden dürften, "solange das Verfahren anhängig ist". Breyer habe folglich ungenehmigt Papiere veröffentlicht, was eine "unangemessene Verwendung von Verfahrensunterlagen" darstelle. Ein solches Verfahren könne der geordneten Rechtspflege schaden, sodass die Kostenaufteilung gerechtfertigt sei.

Breyer begrüßte, dass die Kommission künftig Presse und weiteren Interessierten prinzipiell "Zugang zu den Argumenten und Anträgen der Beteiligten vor europäischen Gerichten gewähren muss", wenn auch erst nach Abschluss eines Verfahrens. Die Transparenz der europäischen Justiz bleibe nach dem Urteil aber "mangelhaft und dringend verbesserungsbedürftig", monierte er.

Der Bürgerrechtler sieht jetzt den Gesetzgeber gefordert, die Verfahrensregeln nach Vorbild des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs liberaler zu gestalten. Die Idee, Staaten und Institutionen müssten vor Gericht unabhängig von jeder öffentlichen Kritik und Kontrolle auftreten können, widerspreche dem Grundgedanken der Demokratie. In diesem Sinne habe auch der EuGH-Generalanwalt Michal Bobek in seinen Schlussanträgen für einen umfassenderen Zugang zu Dokumenten des Gerichtshofs plädiert. (anw)