Facebook muss Geschäftsmodell umbauen

Das wichtige Werbegeschäft wird zum Problem für Facebook. Das hat tiefer gehende Gründe als die Schwierigkeiten in Europa oder die jüngsten Datenskandale.

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Facebook

(Bild: dpa, Andrea Warnecke)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Andrej Sokolow
  • dpa
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Facebook steht ein Umbruch in seinem Werbegeschäft bevor, der die jahrelang auf Hochtouren laufende Geldmaschine des Online-Netzwerks abbremsen wird. Die Mitglieder teilten ihre Beiträge verstärkt im kleineren Freundeskreis statt im Newsfeed, der bisher das Herzstück der Facebook-Nutzung war, wie Gründer und Chef Mark Zuckerberg am Dienstag erläuterte. Facebook muss deswegen sein Geschäft umbauen – und tastet sich erst zu einer Lösung durch.

Denn aktuell kommen die Milliardengewinne des Online-Netzwerks fast ausschlieĂźlich aus dem Newsfeed, der viel Platz fĂĽr Anzeigen bietet. Beim Geldverdienen in seinen Chatdiensten WhatsApp und Messenger sowie den neuen Formaten auf der Facebook-Plattform steht die Firma aber erst am Anfang und weiĂź zum Beispiel noch nicht, wie sich die Anzeigenpreise entwickeln werden. "Das ist eine Reise, die Jahre und nicht Quartale dauern wird", sagte Finanzchef Dave Wehner.

Zu den neuen Formaten gehören zum Beispiel die sogenannten "Stories", bei denen Nutzer ihre Fotos und Videos für einen Tag für ausgewählte Freunde veröffentlichen. "In nicht allzu ferner Zukunft werden die Leute mehr in Stories als in Feeds teilen", prognostizierte Zuckerberg. Es hat eine gewisse Ironie, dass Facebook das "Stories"-Format hemmungslos beim Herausforderer Snapchat kopierte. Facebook gelang es dadurch, den Aufstieg von Snapchat zu stoppen- – die Foto-App kämpft seitdem mit Nutzerschwund.

Doch jetzt muss Facebook selbst die wirtschaftlichen Konsequenzen des veränderten Nutzer-Verhaltens tragen. Der Wandel verlaufe weniger geschmeidig als er es sich erhofft habe, räumte Zuckerberg ein. Doch für Facebook spreche allein schon, dass täglich mehr als zwei Milliarden Menschen mindestens ein Produkt der Firma nutzen. Dem Online-Netzwerk gehört auch die erfolgreiche Foto-Plattform Instagram.

Facebook durchlebte bereits einen ähnlichen Umbruch, als Nutzer vom PC auf Smartphones wechselten. Damals hatte das Online-Netzwerk zunächst kein Geschäftsmodell für das Handy und Anleger zweifelten an den Zukunftsaussichten der Firma.

Doch die Newsfeed-Anzeigen als Lösung für das Problem erwiesen sich als eine Goldgrube. Zuckerberg und Geschäftsführerin Sheryl Sandberg erinnerten jetzt daran, um besorgte Investoren zu beruhigen. Das klappte im nachbörslichen Handel ganz gut: Die Aktie, die nach Zuckerbergs Warnungen erst fast vier Prozent verlor, erholte sich auf ein Plus von über drei Prozent.

Schon die Zahlen für das vergangene Quartal offenbarten einige Probleme. So verlor das Online-Netzwerk im zweiten Vierteljahr in Folge eine Million Nutzer in Europa und hat hier noch 375 Millionen mindestens einmal im Monat aktive Mitglieder. Facebook hatte bereits gewarnt, dass die Regelungen der seit Ende Mai greifenden Datenschutz-Grundverordnung das Geschäft in Europa erschweren werden.

Weltweit gesehen geht das Wachstum des Online-Netzwerks weiter. Die Zahl monatlich aktiver Facebook-Nutzer legte binnen drei Monaten von 2,23 auf 2,27 Milliarden zu. Und auch die Werbeeinnahmen wuchsen noch deutlich: Der Quartalsumsatz stieg im Jahresvergleich um rund ein Drittel auf 13,7 Milliarden US-Dollar. Der Gewinn kletterte um neun Prozent auf knapp 1,34 Milliarden US-Dollar.

Doch ein genauerer Blick in die Facebook-Zahlen zeigt, dass die Nutzer-Zuwächse vor allem aus Regionen kommen, die für das Online-Netzwerk bisher weniger lukrativ sind. In den USA und Kanada kommt Facebook nun auf 242 Millionen monatlich aktive Nutzer – gerade einmal eine Million mehr als vor drei Monaten.

Es ist aber der mit Abstand profitabelste Markt für das Online-Netzwerk: Hier machte Facebook im vergangenen Quartal einen Umsatz von 27,61 US-Dollar pro Nutzer. In Europa sind es 8,82 US-Dollar pro Nutzer und im weltweiten Durchschnitt 6,09 US-Dollar. Zugleich dürften die Ausgaben in diesem Jahr um über 50 Prozent steigen und 2019 um weitere 40 bis 50 Prozent. Das sei unter anderem für die Sicherheit und den Kampf gegen Hass und Hetze nötig, sagte Zuckerberg. So stellt Facebook mehr Mitarbeiter für seine Löschzentren ein, die verbotene Inhalte entfernen. Vor allem dadurch stieg die Zahl der Beschäftigten binnen eines Jahres um 45 Prozent auf gut 33.600.

Zuckerberg, der sonst Wettbewerber selten erwähnt, räumte ein, dass Facebook bei Video hinter Googles Plattform YouTube zurückliege. Das Online-Netzwerk habe aber bisher die Zeit, die Nutzer mit dem Ansehen von Videos verbringen können, bewusst reduziert. Facebook stecke in einem Dilemma: "Die Leute wollen sich Videos anschauen", sagte Zuckerberg. Zugleich erwarteten sie von Facebook aber auch soziale Kontakte mit Freunden und Familie. Deswegen habe Facebook die Ausbreitung sogenannter "viraler" Unterhaltungsvideos gebremst.

Facebook wurde in diesem Jahr von dem Datenskandal um Cambridge Analytica in eine Krise gestürzt. Zuletzt sorgte ein Hacker-Angriff, von dem rund 30 Millionen Nutzer betroffen waren, für weitere Negativ-Schlagzeilen. Diese Turbulenzen scheinen das Geschäft des Online-Netzwerks jedoch bisher kaum beeinflusst zu haben. (sea)