Fachkräftemangel: Kreuzfahrt oder Geld sollen neue Mitarbeiter anlocken

Wenn Unternehmen keine Fachkräfte bekommen, müssen sie sich etwas einfallen lassen: Mit Geld, Schiffsreisen, Smartphone oder einem coolen Video auf Facebook wollen sie neue Mitarbeiter für sich gewinnen. Aber auch das reicht nicht immer aus.

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Fachkräftemangel: Kreuzfahrt oder Geld sollen neue Mitarbeiter anlocken

(Bild: Pixabay / CC0)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Irena Güttel
  • dpa

Für Holger Wührmann und Marc Henniges laufen die Geschäfte gut. Der eine hat den Ein-Mann-Elektrobetrieb seines Vaters in Nordenham zu einem Unternehmen mit 29 Mitarbeitern ausgebaut, der andere führt einen großen Friseursalon in Hannover. Doch beide eint dasselbe Problem: Sie suchen händeringend neue Mitarbeiter, finden aber keine.

Also haben sie sich etwas einfallen lassen – etwas, das zumindest Aufsehen erregt hat. Eine einwöchige Kreuzfahrt will Henniges Stylistinnen spendieren, die bei ihm anfangen. Dazu eine Mitgliedschaft im Fitnessclub und die Aussicht auf ein Smartphone und einen Firmenwagen. Die Auswahl wollte Henniges als eine Art Casting veranstalten, die besten drei sollten einen Job bekommen. Über soziale Netzwerke ging die ungewöhnliche Stellenanzeige rum. Zwei neue Mitarbeiterinnen konnte Henniges inzwischen einstellen.

Fachkräftemangel

Einen flächendeckenden Fachkräftemangel gibt es nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit in Deutschland nicht. Engpässe sehen die Experten jedoch in einzelnen Berufen und Regionen. In Niedersachsen dauert es zum Beispiel durchschnittlich 140 Tage, bis eine freie Stelle in Energie- und Elektroberufen besetzt ist. Holger Wührmann in Nordenham bekommt das seit Jahren zu spüren. "Wir sind seit drei bis vier Jahren unterbesetzt", sagt der 53-Jährige. Die Konsequenz: Seine Mitarbeiter machen regelmäßig Überstunden, neue Aufträge muss der Chef zum Teil ablehnen. "Dabei würden wir gerne noch mehr machen."

Und damit ist Wührmann nicht allein. Nach einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) sieht inzwischen mehr als jede zweite von rund 27.000 befragten Firmen ihr größtes Geschäftsrisiko im Fachkräftemangel. Besonders betroffen davon sind die Mittelständler. "Die ganz Großen tun sich oft leichter, weil sie bessere Konditionen anbieten können, sich an attraktiveren Standorten befinden und den bekannteren Namen haben", sagt der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. Anreize für neue Mitarbeiter wie Prämien, ein schickes Smartphone oder die Möglichkeit für Homeoffice und Fortbildungen gehören bei vielen großen Unternehmen zur Personalstrategie. Doch auch kleinere Betriebe seien zunehmend kreativer, sagt Dercks.

Mit Bezahlung über Tarif und einem Firmenwagen hat auch schon Holger Wührmann geworben. Vergeblich. Deshalb will er neuen Mitarbeitern jetzt eine Wechselprämie von 1000 Euro zahlen, wie er auf der Firmenhomepage und auf Facebook verkündet hat. Drei Bewerber haben sich darauf gemeldet, einen davon konnte Wührmann einstellen. "Man muss auch mal neue Wege gehen", sagt er. "Ich will nicht ausschließen, dass ich das nächste Mal etwas anderes probiere. Denn das Hauen und Stechen um die Arbeitskräfte geht jetzt erst los."

Das Buhlen um Mitarbeiter fängt schon bei den Auszubildenden an – vor allem im Handwerk. "Die Lage ist gravierend", sagt Hildegard Sander von den niedersächsischen Handwerkskammern. Verantwortlich dafür ist neben dem demografischen Wandel auch, dass viele junge Leute lieber Abitur statt einer Lehre machen wollen. Für die Betriebe bedeutet das konkret: "Sie müssen aktiver werden als in früheren Zeiten und auf den sozialen Medien präsent sein, um die Jugendlichen zu erreichen", sagt Handwerkskammer-Mitarbeiterin Sander. So wie der Glaser Sven Sterz. Er postete auf Facebook ein Video, um zwei neue Azubis zu finden – und landete einen Hit im Internet. Fast drei Millionen Nutzer klickten das Video an, in dem er in Arbeitsmontur und Bommelmütze eine Glasscheibe auf dem Boden zersplittern lässt und Bewerbern verspricht: "Ich bin immer für dich da." Innerhalb von zehn Tagen erhielt die Glaserei in Geestland 34 Bewerbungen. "Wir waren auf den Hype gar nicht eingestellt", sagt Sterz begeistert.

Friseurmeister Henniges klingt dagegen ernüchtert. "Wir waren optimistisch, dass sich so 200 bewerben", sagt Henniges. Am Ende gingen 20 Bewerbungen ein, wovon nur vier infrage kamen. "Selbst so eine Aktion wie eine Kreuzfahrt reicht nicht aus, um die Leute zu begeistern." Was das für seinen 220 Quadratmeter großen Friseursalon in einer schicken Einkaufsgalerie in der Innenstadt von Hannover bedeutet, vermag er heute nicht zu sagen. "Möglicherweise müssen wir uns künftig einen kleineren Standort suchen, weil wir nicht genug Mitarbeiter rankriegen."

Zu Arbeitsplätzen und Stellenangeboten in der IT-Branche siehe auch den Stellenmarkt auf heise online:

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