Gericht: Britische Geheimdienste haben 17 Jahre lang illegal Metadaten gehortet

Mit ihrer heimlichen massiven Vorratsdatenspeicherung haben MI5, MI6 und GCHQ jahrelang die Europäische Menschenrechtskonvention ausgehebelt, hat das für die Geheimdienste zuständige Gericht in London entschieden.

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GCHQ

(Bild: dpa, Gchq/British Ministry Of Defence)

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Juristische Klatsche für die britischen Geheimdienste und die Regierung: Mit dem heimlichen massenhaften Sammeln und Auswerten von Verbindungs- und Standortdaten haben MI5, MI6 und GCHQ seit der Auflage des Überwachungsprogramms im März 1998 gegen das in Europa verbriefte Recht auf Achtung des Privatlebens verstoßen. Dies hat das für die drei Geheimdienste zuständige britische Gericht, das Investigatory Powers Tribunal, in einem am Montag veröffentlichten Urteil entschieden.

Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, auf den sich die Richter beziehen, lässt das Verletzen von Privatheit und Datenschutz nur unter klar umrissenen Umständen zu. Behörden dürften nur entsprechend agieren, soweit dies auf einer gesetzlichen Grundlage geschieht und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist – etwa für die nationale oder öffentliche Sicherheit.

Es sei nicht davon auszugehen, dass die britische Öffentlichkeit über die Vorratsdatenspeicherung der Geheimdienste im Bilde gewesen sei, urteilte das Tribunal, wenn die Zuständigen nicht einmal das Parlament über diese Tatsache informiert hätten. Zudem habe es keine angemessene Kontrolle über die Protokollierung der elektronischen Nutzerspuren gegeben.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in groĂźem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthĂĽllt.

Die Richter unterscheiden zwischen der eigentlichen Vorratsdatenspeicherung, die von offizieller Seite erst im November 2015 eingeräumt und so 17 Jahre lang illegal gewesen sei, und einem noch weitergehenden Programm, mit dem die Geheimdienste persönliche Datenprofile angelegt hätten. In dieses seien neben gängigen Metadaten auch biografische Details, kommerzielle und finanzielle Aktivitäten oder Reiseinformationen eingeflossen. Dieses Programm habe 2006 begonnen und sei im März 2015 eingestanden worden. Im April diesen Jahres war bekannt geworden, dass britische Agenten die immensen Datenbanken auch immer wieder für private Recherchen einsetzten.

Das Tribunal hat offen gelassen, ob die illegal gesammelten Daten gelöscht werden müssen. Die Bürgerrechtsorganisation Privacy International, die gegen die Maßnahme geklagt hatte, hält die Angelegenheit mit dem öffentlichen "Eingeständnis" der Überwachungsprogramme jedenfalls nicht für gegessen. Eine Anordnung der Operationen durch ein Regierungsmitglied garantiere nicht notwendig, dass die Überwachung, die Millionen Menschen betreffen könnte, erforderlich und verhältnismäßig sei.

Dazu kommt laut Privacy International, dass die Betroffenen nicht informiert werden und ihnen so der Rechtsweg verschlossen bleibt. Ganze Datenbanken könnten ferner mit ausländischen Geheimdiensten, "Industriepartnern" oder anderen Regierungsstellen geteilt werden. Generell habe das Gericht nicht darüber entschieden, ob die jahrelange Vorratsdatenspeicherung an sich die Kriterien der Menschenrechtskonvention erfülle.

Trotz des Streits über die Folgen der Entscheidung bezeichnen die Bürgerrechtler das Urteil, das auf den Snowden-Enthüllungen beruhe, generell als "in hohem Maße bedeutsam". Ausdrücklich wende sich dieses gegen den heimlichen Einsatz von Massenüberwachungsbefugnissen durch staatliche Behörden. Die Öffentlichkeit und die Abgeordneten verdienten eine Erklärung über das Vorgehen und eine Bestätigung, dass die rechtswidrig erlangten Informationen zerstört würden.

Die britische Regierung sieht sich mit dem Beschluss in ihrem Kurs bestätigt und hält die Vorratsdatenspeicherung der Nachrichtendienste inzwischen für legal. Sie will mit einem neuen Überwachungsgesetz, dem Investigatory Powers Bill, die beanstandeten Geheimdienstpraktiken noch weiter ausbauen. Auch gegen diese Initiative richtet sich Privacy International, da auch die bisherigen parlamentarischen Debatten nicht beleuchtet hätten, wie sich das Auspähen auf den Alltag der Menschen auswirke. (kbe)