Gravitationswellen: LIGO und Virgo beobachten unmögliches Schwarzes Loch
Gravitationswellen-Detektoren haben wohl erstmals die Entstehung eines mittelschweren Schwarzen Lochs beobachtet. Ein Objekt passt nicht zu den Theorien.
Astronom*innen haben erstmals die Entstehung eines mittelschweren Schwarzen Lochs beobachtet, und zwar anhand der dabei entstandenen Gravitationswellen. Die Entdeckung gelang mit den Detektoren der Observatorien LIGO und Virgo, teilte das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik am Mittwoch mit. Demnach handelt es sich um die Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher mit der bislang größten beobachteten Gesamtmasse und außerdem die am weitesten entfernte. Von besonderem wissenschaftlichem Interesse ist sie aber vor allem, weil eines der beteiligten Schwarzen Löcher nicht zu den aktuellen Modellen der Sternentwicklung passt, wie die Forscher*innen erläutern.
Entstehung eines mittleren Schwarzen Lochs
Das Ereignis wurde auf GW190521 getauft und am 21. Mai 2019 beobachtet. Es könnte auch noch die erste Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher sein, von der auch Spuren im sichtbaren Licht gefunden wurden. Inzwischen haben die Forscher*innen sie ausführlich analysiert und weitere Details herausgefunden, auch wenn das Signal mit einer Länge von lediglich einer Zehntelsekunde sehr kurz war. Es umfasste demnach vier Gravitationswellenzyklen und die Frequenz stieg in dem Zeitraum 30 Hertz auf 80 Hertz. Seinen Ursprung hatte es demnach in der Verschmelzung eines Schwarzen Lochs mit 66-facher Sonnenmasse und einem von 85-facher Sonnenmasse. Das dabei entstandene Objekt von etwa 150 Sonnenmassen gehöre damit zu einer nur indirekt beobachteten Klasse mit 100 bis 100.000 Sonnenmassen – also zwischen den stellaren Schwarzen Löchern und den extremen im Zentrum von Galaxien.
Jenes zweite Schwarze Loch stellt die Wissenschaftler*innen nun vor ein Rätsel, denn eigentlich dürfte es solch eines gar nicht geben. "Nach unserem Verständnis davon, wie Sterne altern und sich entwickeln, erwarten wir, dass wir Schwarze Löcher mit entweder weniger als 65 Sonnenmassen oder mehr als 120 Sonnenmassen finden, aber keine dazwischen", erklärt Frank Ohme vom Albert-Einstein-Institut Hannover. Sterne, die mit ihrer Masse in diesem Bereich liegen, explodieren demzufolge nicht in einer Supernovae, sondern verlieren am Ende ihres Lebens erst viel Masse, bevor sie doch in einer Explosion und einem Schwarzen Loch enden. Vergangenes Jahr hatten chinesische Astronomen für Aufsehen gesorgt, als sie ebenfalls die Entdeckung eines solchen Schwarzen Lochs verkündet hatten. Daran hatte es viel Kritik gegeben.
Alternative Szenarien möglich
Wie die Forscher*innen erläutern, sei es am wahrscheinlichsten, dass das Schwarze Loch von GW190521 mit 85 Sonnenmassen Ergebnis einer früheren Verschmelzung ist. Oder aber unser Verständnis der Sternentwicklung ist unvollständig und Schwarze Löcher mit solcher Masse können doch direkt am Ende eines Sternenlebens entstehen. Sie schreiben aber außerdem noch, dass die Beobachtung zwar gut zu dem beschriebenen Ereignis passe, andere Erklärungen für den Ursprung seien aber nicht ausgeschlossen. So könnte das Signal auch nicht von der beschriebenen Kollision vor etwa sieben Milliarden Jahren stammen, sondern deutlich näher zur Erde stattgefunden haben. Dazu müssten die Gravitationswellen von einer Gravitationslinse verzerrt worden sein.
Insgesamt wurden in der dritten Beobachtungskampagne 56 Kandidaten für Gravitationswellen-Ereignisse beobachtet, schreiben die Forscher*innen noch. Die Kampagne war wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie Ende März vorzeitig beendet worden. Vier davon wurden bislang bestätigt und die Details in wissenschaftlichen Fachmagazinen veröffentlicht. Die Ergebnisse zu GW190521 und deren astrophysikalische Bedeutung erklären die Forscher*innen nun in den Fachzeitschriften Physical Review Letters und Astrophysical Journal Letters. (mho)