Grundrechte-Report: Warnung vor dem "Gefährder Staat"

Kurz nach Beschluss der unbegrenzten Präventivhaft in Bayern legt der "alternative Verfassungsschutzbericht 2018" einen Schwerpunkt auf die wahren Gefährdungen für Rechtsstaat und Grundrechte, etwa durch Staatstrojaner.

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Ăśberwachung, Ăśberwachungskamera

(Bild: Michael Gaida, gemeinfrei)

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Der Staat geht unter dem Aufhänger der Terrorismusbekämpfung immer schärfer gegen potenzielle "Gefährder" vor. So hat der bayerische Landtag mit CSU-Mehrheit jüngst ein neues Polizeigesetz verabschiedet, das eine unbegrenzte Präventivhaft für mögliche Attentäter und den Einsatz von Staatstrojanern auch zur präventiven Telekommunikationsüberwachung und für heimliche Online-Durchsuchungen vorsieht.

Die Autoren und Herausgeber des Grundrechte-Reports 2018, zu denen neben der Humanistischen Union (HU) mehrere weitere Bürger- und Menschenrechtsorganisationen gehören, wollen das Augenmerk nun auf die eigentlichen "Gefährdungen für den Rechtsstaat und die Grundrechte" lenken, die ihrer Ansicht nach vom Staat selbst und seinen Institutionen ausgehen.

Die offiziellen Verfassungsschutzberichte von Bund und Ländern schilderten lediglich die "angeblichen Gefährdungen der freiheitlich demokratischen Grundordnung durch Organisationen und Parteien, Gruppen und Grüppchen", schreibt die HU im Grundrechte-Report. Diese hätten aber "zu keinem Zeitpunkt je die Bundesrepublik ernsthaft in Gefahr bringen können".

Der "alternative Verfassungsschutzbericht" lege einen Schwerpunkt dagegen auf die wahren Einschränkungen von Freiheitsrechten und die "überbordende Überwachung". So beklagt etwa die Pariser Rechtsanwältin Dorothee Wildt in ihrem Beitrag, dass der nationale Gesetzgeber die neuen deutschen Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung trotz eines "eindeutigen Urteils des Europäischen Gerichtshofs" zur Unzulässigkeit des Instruments nicht offiziell aufhebe.

Fredrik Roggan, Professor an der Hochschule der Polizei von Brandenburg, arbeitet heraus, dass die vom Bundestag den Strafverfolgern voriges Jahr erteilten breiten Befugnisse für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung und das verdeckte Ausspähen von IT-Geräten verfassungswidrig seien und die große Koalition diesen Schritt mit so mancher Nebelkerze begründet habe. Diese neuen, sehr mächtigen Ermittlungsinstrumente sind laut dem Strafrechtler besonders brisant, da sie die IT-Sicherheit aushebelten und die dafür verwendeten Trojaner mehr könnten, als sie dürften.

Über den unkontrollierten Zugriff etwa der Geheimdienste auf die biometrischen Verbunddateien anderer Behörden berichtet er ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. Mehrere Autoren befassen sich auch direkt mit Eingriffen auf Basis des schwammigen Begriff des "Gefährders". Benjamin Gremmelspacher etwa schildert die rechtswidrige Überwachung eines Freiburger Anwalts durch den Verfassungsschutz. Heiner Busch stellt fest, dass die Statistik für 2017 für polizeiliche Todesschüsse eine Höchstzahl seit 1999 ausweise. Der Grüne Volker Beck betonte bei der Buchpräsentation, dass eine wache Zivilgesellschaft stets darüber wachen und immer neu dafür kämpfen müsse, "dass die Grundrechte, in denen sich die Unantastbarkeit der Menschenwürde konkretisiert, gewahrt bleiben".

Mitherausgeber des Reports ist erstmals das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF): "Der Einfluss der Informationstechnik und der Digitalisierung auf die Bürgerrechte nehmen stetig zu“, erläuterte dessen Vorstandsmitglied Hans-Jörg Kreowski, "Technologien und Methoden wie Künstliche Intelligenz, Big Data und Lernalgorithmen werden in ihrer Bedeutung erheblich zunehmen." Auch der Einfluss des Transhumanismus und seines Menschenbildes auf die Menschenwürde dürfe in diesem Bereich nicht unterschätzt werden. Im aktuellen Band erörtert der FIfF-Vorsitzende Stefan Hügel auch anhand des Erpressungstrojaners WannaCry den Umgang von Bundeswehr und Bundesnachrichtendienst mit Schwachstellen der IT-Sicherheit. (jk)